gelesen und zitiert by Huffington Post vom 15. August 2017
- Die Kanzlerin hat dem Deutschlandfunk ein Interview zum Wahlkampfstart gegeben
- Wer es hört, versteht, warum die politische Debatte nicht in Gang kommt
Früher war nicht nur mehr Lametta, früher war auch mehr Wahlkampf.
Diesen
Eindruck gewinnt, wer sich dieser Tage Interviews mit dem
SPD-Herausforderer Martin Schulz oder der CDU-Kanzlerin Angela Merkel
anhört.
Während Schulz am
Sonntag im Sommerinterview mit dem ZDF und in der RTL-"Wahlarena" vor
allem darauf bedacht war, keine Fehler zu machen (und diese Aufgabe
zumindest zur Zufriedenheit seiner Parteikollegen löste),
war am Montag Angela Merkel an der Reihe.
Sie gab dem Deutschlandfunk und dem TV-Sender Phoenix
ein langes Interview
– und lieferte eine Performance ab, bei der man sich fragen kann, ob
Merkel überhaupt vorhat, einen echten Wahlkampf zu führen.
Diese 5 Aussagen zeigen, was uns in den kommenden Wochen blüht: gähnende Langeweile.
1. "Ich unterschätze meine Mitbewerber nie. Ich schätze meine Mitbewerber."
Kälter
kann man seinen Konkurrenten um das wichtigste politische Amt nicht
abfertigen. Noch respektloser war Merkel nur, als sie am Samstag beim
Wahlkampfauftakt in Dortmund nach ihrer Rede noch einmal das Mikrofon
griff und sagte: "Ich habe ganz vergessen, zu sagen, dass die Wahl nicht
entschieden ist und wir jede Stimme brauchen."
So klingt Hohn – auch wenn das wohl nicht einmal die Absicht der Kanzlerin war.
2. "Er ist – wie ich – hocheuropäisch."
Merkel
lobte ihren Konkurrenten im Deutschlandfunk dann sogar noch: als
hocheuropäisch. Da sei er wie sie. Nicht die Unterschiede zur SPD kehrte
sie hier heraus, sondern die Gemeinsamkeiten. Von einer "Ermutigung zu
mehr Europa" sprach Merkel und klang damit genauso wie ihr Konkurrent
seit Monaten.
Mit etwas bösem Willen könnte man Merkel hier eine perfide Strategie unterstellen.
Das tat zuletzt zumindest das US-Magazin "Foreign Policy":
Zentral für die Methode Merkel" sei der Weg, wie sie die SPD aus der
Mitte der Gesellschaft und des Wahlkampfes dränge, indem sie ihre Ideen
absorbiere.
3. "Wir werden uns weiter engagieren müssen."
Die
Flüchtlingskrise ist noch nicht gelöst, das erkennt Merkel richtig. Das
Problem: Wie auch die restliche Union bleibt Merkel lieber vage, wenn
es darum geht, Ideen zu entwickeln, wie es weitergeht.
Dann
lieber ein Rückblick: "Wir haben, wenn ich an die Flüchtlingsfrage
denke, wenn ich an die Partnerschaft mit Afrika denke, sehr viel
unternommen", betonte Merkel.
Auf
die Spitze trieb diese Flüchtlings-Lethargie in der Union zuletzt
übrigens NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Der ging Schulz an, weil
der über Flüchtlinge sprechen wollte. "Egal wie verzweifelt die
Umfragelage auch sein mag: Die Not von Flüchtlingen eignet sich nicht
für den Wahlkampf", schrieb Laschet bei Twitter. So kann man sich auch
vor der Auseinandersetzung drücken.
4. "Die Union führt keine Koalitionswahlkämpfe."
Nach
dem Spiel ist vor dem Spiel, das Runde muss ins Eckige, wir denken nur
von Spiel zu Spiel, Koalitionsaussagen machen wir erst, wenn es so weit
ist. Es gehört zum kleinen Politiker-Ein-mal-Eins und durfte natürlich
auch in Merkels Deutschlandfunk-Interview nicht fehlen. Dabei wird die
Frage, mit wem die Union bei einem Wahlsieg ab dem September koaliert,
gerade immer spannender.
Umfragen
haben in den vergangenen Tagen verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt.
Für Schwarz-Gelb wird es knapp, ein Jamaika-Experiment könnte eine
Überlegung wert. Manche, wie die "Zeit" spekulieren gar, dass es doch
noch für Schwarz-Grün reicht.
Oder doch wieder Große Koalition?
5. "Das ist immer eine Abwägungsfrage."
Es gibt viele Fragen, auf die das eine gute Antwort gewesen wäre.
"Pizza Salami oder Pizza Mozzarella"?
"Braune oder schwarze Schuhe zu der grauen Hose?"
"Bestelle ich jetzt wirklich NOCH ein Bier?"
Merkel
antwortete so allerdings auf die Frage, wieso sie nicht am
Diesel-Gipfel teilgenommen habe, sondern stattdessen im Urlaub war. Ein
Vorwurf, dem man ihr bei einer so ernsten Thematik durchaus machen kann,
und den Merkel so geschickt wegwischte.
Dann ging sie schnell wieder auf die Sachebene. Der Gipfel sei "ein erster Schritt". "Dem müssen weitere folgen."
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.