Dienstag, 29. Mai 2018

„Ich analysiere den Islam mit Zahlen“ von Moritz Schwarz

https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2018/ich-analysiere-den-islam-mit-zahlen/


Herr Professor Warner, ein Physiker als Islamkritiker – wie kommt das?
Bill Warner: Schon seit meiner Kindheit beschäftige ich mich mit Religion. Ursprünglich wollte ich Pfarrer werden, dann hat mich der Sufismus interessiert, die mystische Seite des Islam. Heute hänge ich keiner Religion mehr an. Aber ich habe alles gelesen, Bibel, Tora, buddhistisches, islamisches Schrifttum etc. Und als ich am 11. September 2001 sah, wie die Flugzeuge in die Türme rasten, war mir klar: Das ist Dschihad! Inzwischen habe ich zwei-, dreihundert Bücher zum Islam gelesen.
Genügen Privatstudien tatsächlich? Müßten Sie nicht Arabisch gelernt und den Islam an der Universität studiert haben?
Warner: Nein, und zwar weil mich ja gar nicht historische Originale interessieren, sondern die Version, die die Menschen tatsächlich lesen, weil es diese ist, die auf sie wirkt. Für mich ist also die englische Übersetzung der Schriften aus der Buchhandlung relevant. Und meine Absicht ist auch nicht, in Quellen etwas Neues zu finden, sondern die islamischen Schriften so aufzubereiten, daß sie jeder lesen und verstehen kann.
Ohne Standpunkt zu schreiben, ist nicht möglich
Jeder kann doch den Koran lesen.
Warner: Für Unkundige ist er sehr verwirrend, da er nicht wie die Bibel eine zeitliche Abfolge kennt und in Geschichten erzählt, sondern nach der Länge der Suren geordnet ist, unabhängig von Chronologie und Inhalt. So ist die Lektüre rasch ermüdend. Deshalb habe ich den Inhalt der „Trilogie“, wie ich sie nenne, also der drei zentralen islamischen Schriften – das sind der Koran, die Sira, also die Biographie Mohammeds, und die Hadith-Sammlungen, das sind Aussprüche und Anekdoten aus dem Leben des Propheten – in eine Form gebracht, wie wir im Westen sie gewohnt sind und empfehle, erst meine Aufbereitung zu lesen, dann die Originale. So findet man sich in ihnen besser zurecht und hat mehr Gewinn.
Und liest sie automatisch durch Ihre Brille.
Warner: Ich habe versucht, wie ein Wissenschaftler, der ich bin, zu ordnen und zusammenzufassen. Ohnehin bestehen meine Publikationen ja vor allem aus Originalpassagen. Nur daß ich entwirrt und sinnvoll geordnet habe. Aber dennoch ist jede Bearbeitung natürlich subjektiv. Ist es anders möglich? Sie sind Journalist – sagen Sie mir: Ist es möglich, ohne Standpunkt zu schreiben?
Nein.
Warner: Dann können Sie mir nicht vorwerfen, was für jeden Autor gilt.
Der Islam ist politisch
Neben Ihren aufbereitenden Schriften pflegen Sie einen weiteren, eigentlich überraschenderen Ansatz – nämlich das islamische Schriftgut mit Zahlen zu beschreiben. Wie geht das?
Warner: Ich habe die Trilogie des Islam auf Schwerpunkte hin untersucht. Die Ergebnisse lassen sich mit Zahlen ausdrücken. Zum Beispiel kann ich so eine Antwort auf die Frage formulieren: Geht es im Koran um Religion oder Politik? Die übliche Herangehensweise der Koranforscher wäre, diesen nun diesbezüglich zu interpretieren. Ich dagegen habe Textstellen gezählt. Ergebnis: 49 Prozent der Trilogie handeln von Religion, 51 von Politik – im Koran sind es sogar 64 Prozent! Mit Politik beziehungsweise besser „politischem Islam“ meine ich alle Aussagen über Beziehungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, den sogenannten Kuffar. In der Sira sind das sogar über achtzig, in den Hadithen immerhin über 35 Prozent. Zu meinen Zahlen-Analysen ist leider noch keine Schrift erschienen, mehr davon finden Sie allerdings auf meiner Netzseite.
Aber was sagen diese Zahlen aus?
Warner: Ich spreche dem Islam nicht ab, auch Religion zu sein. Doch wenn sich seine Haupttexte diesem Aspekt nur zu 49 Prozent widmen, zu 51 Prozent aber mit Politischem beschäftigen, kann man dann wirklich sagen, es handele sich „nur“ um eine Religion? Eine Analyse mit Zahlen straft diese Aussage Lügen.
Zahlen an sich besagen nichts, sie müssen interpretiert und eingeordnet werden.
Warner: Da haben Sie recht, und das tue ich. Beispiel: Ist man jung, beschäftigt die Sexualität mehr als im Alter. Was schließen Sie daraus?
Die Ungläubigen spielen im Koran eine große Rolle
Sagen Sie es mir.
Warner: Na, daß einem dieses Thema in der Jugend wichtig ist, stimmt’s?
Klingt einleuchtend.
Warner: Es gibt also offenbar einen Zusammenhang zwischen Quantität und der Bedeutung, die wir einer Sache zumessen. Was sagt es folglich aus, wenn sich über sechzig Prozent des Koran mit uns Kuffar beschäftigen?
Daß wir im Islam eine große Rolle spielen?
Warner: Eben. Und genau das ist übrigens der Koran, dem mein Interesse gilt. Ich respektiere den Koran der religiösen Gebote – aber er interessiert mich nicht, ich bin kein Moslem. Ich bin ein Kafir – Singular von Kuffar – und mich interessiert, was im Koran beziehungsweise in der Trilogie über mich steht und warum „ich“ dort eine so große Rolle spiele! Ist das nicht einleuchtend?
Völlig.
Warner: Meinen Sie nicht, es könnte wichtig sein, was eine Lehre, die Sie eigentlich gar nicht betrifft, die sich Ihnen aber dennoch intensiv widmet, über Sie beziehungsweise über alle Menschen Ihres Status’ sagt? Vielleicht sogar einmal überlebenswichtig? Also mich beunruhigt das – und ich will es daher wissen.
Der Koran sieht Ungläubige nicht neutral
Christen werden laut Koran benachteiligt, aber geduldet, das ist bekannt.
Warner: Es ist schon etwas komplizierter: Der Koran hat kein neutrales Verhältnis zu uns Kuffar, sondern ein sehr negatives. Wir gelten als nichtswürdig, sollen bekämpft und unterworfen werden. Gegen die Kuffar ist jede List erlaubt, und auf keinen Fall darf ein Moslem sich mit ihnen abgeben oder gar anfreunden. Das alles ist schon schlimm genug. Aber würde sich der Koran wenigstens nur zu – sagen wir – zwei, drei Prozent damit beschäftigen … Aber es sind über sechzig Prozent! Mit einem Wort: Der Koran ist in gewisser Weise auf uns fixiert, und das bei einer extrem feindseligen Einstellung zu uns. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich erführe, daß sich mein Nachbar, der mich beinahe haßt, in sechzig Prozent seiner Reflexionen mit mir beschäftigt, würde mich das nervös machen.
Das klingt eventuell aggressiver, als es tatsächlich ist. Denn geht es nicht vor allem deshalb so viel um die „Ungläubigen“, weil der Gläubige sich von ihnen fernhalten soll und der Koran nun mal in einer religiös heterogenen Gesellschaft entstanden ist. Das Motiv wäre folglich eher defensiv.
Warner: In jenem Teil des Korans, der während Mohammeds Zeit in Mekka offenbart wurde, kommt der Dschihad kaum vor. Das würde Sie bestätigen. In dem Teil aber, der aus Mohammeds späterer Zeit in Medina stammt, sind dies 24 Prozent des Textes! Erstens: Ich schließe daraus, daß der Islam in Mekka eher friedfertig war und in Medina sehr viel kriegerischer wurde. Nun schauen wir ins Geschichtsbuch: Genau das bestätigen die Historiker! Also: Man kann mit gesundem Menschenverstand nach meiner Methode einer quantitativen Analyse und Beschreibung mit Zahlen auf historische Umstände schließen, ohne diese studiert zu haben – und dennoch liegt man richtig. Zweitens, wenn Sie diese 24 Prozent zu den sechzig Prozent von eben nehmen, wie verhält es sich dann mit Ihrer Defensiv-Vermutung?
24 Prozent besagt zunächst gar nichts, denn der Islam nennt sowohl den Kampf gegen die Ungläubigen so – der sogenannte „kleine Dschihad“ –, wie auch das innere Ringen um eigene religiöse Vervollkommnung – der sogenannte „große Dschihad“.
Warner: Sehr richtig, und wenn es um die Frage nach dem kriegerischen Charakter des Islam geht, wird von dessen Verteidigern gern ins Feld geführt, daß man deshalb „Dschihad“ nicht automatisch mit Krieg gleichsetzen könne. Doch schauen wir erneut auf die Zahlen: Wieviel Prozent der Thematisierung des Dschihad etwa in den Hadithen meint den „großen“, also den inneren, den religiösen Dschihad? Bevor Sie anfangen zu raten: Zwei Prozent. Das heißt, in 98 Prozent der Erwähnungen ist der „kleine“, der kriegerische Dschihad gemeint! Sie sehen, mitunter bringen gerade die Zahlen, von denen Sie meinen, sie würden an sich nichts aussagen, Klarheit. Während uns so mancher Islamgelehrte mit der Beschreibung des großen Dschihad den Blick verstellt – weil er nicht klarmacht, daß beide – großer und kleiner Dschihad – keineswegs gleichgewichtig nebeneinander auftreten.
Wort und Handeln Mohammeds gilt gelten bis heute
Allerdings war die Zeit Mohammeds bekanntlich nun mal eine kriegerische – kein Wunder also, daß sich die Texte eher mit dem kleinen Dschihad beschäftigen. Das heißt aber nicht, daß das heute noch so gilt. Ebenso wie wir die Bibel lesen und sie nicht automatisch so agrargesellschaftlich verstehen, wie sie geschrieben ist.
Warner: Im ersten Moment klingt Ihr Argument gut. Doch Sie vergessen, daß im Islam Leben, Wort und Handeln des Propheten unbedingt und durch alle Zeit hindurch mustergültig sind!
Was schließen Sie nun daraus, daß sich die „Trilogie“ nach Ihrer Analyse zu 51 Prozent mit Politik befaßt?
Warner: Zunächst, daß der politische Islam, so wie ich ihn definiere, eine enorme Rolle spielt, sonst wäre sein Anteil nicht so groß. Dann, daß die Methode, mit der wir im Westen gerne mit dem Islam umgehen, nicht zulässig ist; nämlich zu sagen: Nun gut, aber 49 Prozent beschäftigen sich mit Religion – fokussieren wir uns also darauf! Denn dann mißversteht man den Islam, der ja eben nicht so konstruiert ist, daß man den politischen Islam, also den Umgang mit den Kuffar, einfach weglassen kann. Das könnte man vielleicht, wäre dieses Politische ihm nicht wichtig. Aber 51 Prozent zeigen, daß sie ihm sogar sehr wichtig ist. Den Islam also vor allem mit Blick auf seinen religiösen Anteil zu interpretieren, mißinterpretiert ihn, weil er ihn in einer Weise versteht, wie der Islam sich selbst gar nicht versteht.
Aber den Islam nur politisch zu interpretieren – wie es zum Beispiel mitunter in der AfD gemacht wird – doch ebenso, denn auch die 49 Prozent gehören dazu.
Warner: Stimmt, und ich sage erneut, daß ich diese 49 Prozent selbstverständlich respektiere. Aber sie sind Privatsache der Gläubigen, um sie geht es hier nicht.
Viele Moslems wollen friedlich leben
Tun Sie nun aber damit nicht das gleiche wie jene, die den politischen Anteil aussparen? Überhaupt, Sie untersuchen nur Schrifttum. Jeder weiß aber, daß eine Religion im realen Leben ganz anders aussieht. Christen etwa handeln im Alltag ständig gegen Dekalog und Bergpredigt. Oder Bürger gegen das Strafrecht, Politiker gegen die Verfassung. Wer nur ihr Schrifttum liest, bekommt schnell ein völlig unrealistisches Bild von einer Gesellschaft.
Warner: Sicher, und deshalb mache ich auch immer wieder klar, daß es einen sozialen, einen privaten, also religiösen, und einen politischen Islam gibt und ich mich ausschließlich mit diesem beschäftige. Und deshalb betone ich stets, daß ich Aussagen über den politischen Islam – nicht aber über Moslems mache! Sie haben wohl recht, nur wenige Christen halten sich streng an die Schrift. Das mag vielleicht auch bei Moslems so sein. Gleichgültig aber wie sie sich verhalten, es ändert nichts an ihrer Schrift und also am Charakter ihrer Lehre. Die wiederum ist nun mal so etwas wie der Quellcode, die DNS des Islam. Und Ergebnis meiner Analyse ist, daß diese inkompatibel mit der unserer Kultur ist.
Dennoch verhalten sich etwa 99 Prozent der Moslems in Deutschland friedlich.
Warner: Ja, doch 1941 traten die USA in den Weltkrieg ein. Doch schätzen Sie, wieviel Prozent der Amerikaner haben tatsächlich gekämpft? Nur zehn Prozent. Nun, nach Ihrer Logik wären die USA demnach doch nicht im Krieg gewesen, weil neunzig Prozent nicht kämpften.
Das ist nicht vergleichbar.
Warner: Ich weiß selbst, daß viele Moslems subjektiv lediglich friedlich leben möchten und daß einige auch dem Dschihadismus widersprechen. Das ändert aber nichts daran, daß dieser im Islam enthalten ist – Mohammed selbst führte 95 Schlachten im Namen des Dschihad. Ich sage nicht, alle Moslems seien Dschihadisten, das sind sie nicht. Im Koran selbst wird ja beklagt, daß viele den Dschihad nicht führen wollen. Aber Sie argumentieren, daß dieses Element des Dschihadismus irrelevant sei, weil die Masse der Moslems ihn in der Praxis ignoriere. Das trifft zwar zu – doch sie haben dennoch nicht recht. Recht hätten Sie dann, würden die Moslems dieses politische Element aktiv ablehnen, wenn sie Mohammeds politischen Anspruch und vor allem seine Gewalt offen zurückwiesen. Das aber tun sie nicht. Fordern Sie sie doch dazu auf! Sie werden es nicht tun. Das aber zeigt, wie tief Politik und Gewalt als Element im Islam verwurzelt sind.
———————–
Prof. Dr. Bill Warner ist Physiker. 2013 gründete der US-Amerikaner das Center for the Study of Political Islam, das bisher 15 seiner Publikationen veröffentlicht hat, davon vier auf deutsch: „Der Koran in zwei Stunden“, „Scharia für Nicht-Muslime“, „Die Sira. Das Leben Mohammeds“ und „Der Hadith. Die Sunna Mohammeds“.

Mittwoch, 23. Mai 2018

Sie irren, Herr Broder, bezüglich des Islam

https://juergenfritz.com/2018/05/18/broder-islam/






Es sei „schwierig, den Islam zu definieren“ sagte der überaus geschätzte Henryk M. Broder kürzlich in „Broders Spiegel: Die Islamisierung jeder Debatte“Den Islam gäbe es gar nicht, ist immer wieder von verschiedener Seite zu hören und wer darauf herein fällt, ist damit bereits in die gezielt ausgelegte Falle getappt. Im folgenden werde ich versuchen zu verdeutlichen, was genau hier abläuft, wie diese Verschleierungsstrategie auf perfide Weise eingesetzt wird und warum wir dem auf keinen Fall auf den Leim gehen sollten.

Wenn man nicht weiß, was X ist, kann man auch nicht sagen, welche Folgen X nach sich zieht

Lieber Herr Broder, gestatten Sie mir bitte zunächst, das Wort direkt an Sie zu richten. Da ich Sie für eine absolute Schlüsselfigur in diesem seit langem tobenden und zunehmend heftiger werdenden Meinungskrieg halte, einer der ganz wenigen, der den Herrschsüchtigen in Politik und M-Medien in keiner Weise nach dem Mund redet und der gleichwohl nicht ignoriert, der gleichwohl eingeladen und ernst genommen, dem zugehört wird und dessen Wort besonderes Gewicht zukommt, halte ich es für sinnvoll, diesen Punkt, wenn er aus ihrem Munde kommt, aufzugreifen.
Es sei „schwierig, den Islam zu definieren“, sagen Sie in „Broders Spiegel: Die Islamisierung jeder Debatte“. Und Sie fahren fort: „Man könnte aber durchaus definieren, welche Folgen der Islam in Deutschland hat.“ Diese zwei Sätze, wenn Sie mir erlauben, das so klar zu sagen, sind im Zusammenhang bereits unsinnig. Denn Sie sagen damit: „1. Ich weiß nicht ganz genau, was X ist (denn ich kann es nicht definieren, kann es also nicht abgrenzen und inhaltlich nicht genau bestimmen), aber ich kann 2. genau beschreiben, welche Folgen X hat.“ Wenn Sie nicht genau wissen, was X ist, können Sie auch die Folgen von X nicht genau angeben. Denn wenn jemand sagt, x1 zeitige die und die Folge, er wisse aber nicht ob x1 zu X gehört, dann kann er die Folgen von x1 auch nicht X zuordnen.
Um noch deutlicher zu machen, was hier vorliegt, möchte ich einen kleinen Ausflug in die Sprachphilosophie, in die Logik und in die Ontologie (Seinslehre) machen, um besser zu verstehen, was wir eigentlich tun, wenn wir Begriffe benutzen. Ansonsten wissen wir nämlich eventuell nicht nur nicht genau worüber wir reden, sondern wir wissen dann auch nicht genau, was wir reden.

Begriffsbildung

Alles Sprechen basiert, wenn wir nicht nur einzelne Worte hervorbringen, spätestens wenn wir anfangen, ganze Sätze zu formulieren auf der Bildung von Begriffen in unserem Geist. Was ist damit gemeint? Die Welt selbst ist voller Dinge oder Entitäten, Gegenstände, die für unsere Wahrnehmung irgendwie abgrenzbar sind, zum Beispiel eine Person, ein Tier, ein Baum, ein Fahrrad, ein Auto, ein Haus usw. Nun könnten wir hingehen und jedem Einzelding einen eigenen Namen geben, so wie der Schäfer vielleicht jedem einzelnen Schaf einen Namen gibt, es quasi individualisiert, so auch jedem einzelnen Baum, jedem Apfel, jedem einzelnen Sandkorn. Wir merken sofort, das erscheint irgendwie nicht sehr sinnvoll. Wir bräuchten dann sehr, sehr viele Namen. Vor allem aber: Was würde das bringen? Nein, unser Geist operiert von klein auf anders. Was tut er und wie macht er das?
Er bildet Gruppen von Entitäten, fasst diese zusammen in Klassen, zum Beispiel die Klasse Sandkörner oder Äpfel oder Bäume oder Menschen. Wie machen wir das? Indem wir x1, x2, x3 … abgleichen. Obwohl keine zwei Entitäten in all ihren Eigenschaften gleich sind, haben sie doch alle Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Über die Gemeinsamkeiten können wir Klassen bilden. Je mehr Gemeinsamkeiten Dinge haben, desto kleiner die Klasse der Elemente, die zu dieser Klasse gehört. Elefanten haben untereinander mehr Gemeinsamkeiten als Elefanten und Affen. Daher ist die Klasse der Elefanten kleiner als die Klasse der Säugetiere. Die Klasse der Säugetiere ist kleiner als die Klasse der Tiere. Die Klasse der Tiere ist kleiner als die Klasse der Lebewesen usw. Das heißt, wir können Begriffe, Ober- und Unterbegriffe bilden.

Begriffsumfang und -inhalt (Extension und Intension)

Und ein Begriff ist zum einen definiert (abgegrenzt von allem, was nicht zu diesem Begriff gehört) über die Dinge, die Entitäten, die Gegenstände – damit ist hier alles gemeint, was es gibt (Seiendes), auch Personen oder abstrakte Dinge -, die zu ihm gehören. Dies ist sein Begriffsumfang, seine Extension. Um also den Begriffsnamen, das Wort, die Bezeichnung richtig verwenden zu können, muss zuvor der Begriff im Geist richtig gebildet werden. Das ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Es erfordert eine enorme geistige Leistungsfähigkeit.
Wenn Kinder die Sprache erlernen, so geschieht hier immer wieder aufs Neue eine Wunder, das nur möglich ist, weil unsere Kinder die intellektuelle Potenz zur Begriffsbildung bereits in sich tragen, diese aber natürlich korrekt erlernen müssen, was wie gesagt nicht leicht ist. Wenn der kleine Max zur Kuh „Wawau“ sagt, sind wir meist geneigt zu lachen – was dem kleinen Max hilft, zu erfassen, dass er das Wort nicht richtig zugeordnet hat. Aber woher soll Max am Anfang wissen, worauf das Wort „Wawau“ oder „Hund“ rekurriert? Der Begriff ist ja in seinem Kopf noch nicht vorhanden, er muss erst gebildet werden. Wie das genau funktioniert, damit hat sich insbesondere Ludwig Wittgenstein, das Jahrhundertgenie, sehr intensiv befasst. Dies geht am Anfang nur, indem immer wieder auf Exemplare x1, x2, x3, aber auch y1, z1 … gezeigt und deutlich gemacht wird: Das ist ein Hund, das andere nicht. Das ist eine Kuh. Der Geist von Max muss jetzt erfassen, was ist das Gemeinsame aller Hunde und was ist das Gemeinsame aller Kühe und was unterscheidet diese. Das muss er irgendwie in seinen Kopf reinkriegen.
Bei Hunden und Kühen mag das noch recht einfach sein, spätestens bei abstrakten Begriffen wie Zahl, Mathematik, Relativitätstheorie, Freiheit, Toleranz, Würde oder eben Islam wird das immer schwieriger. Wie wollen Sie auf Toleranz mit dem Finger drauf zeigen? Ab einem bestimmten Punkt muss die weitere Begriffsbildung also anders von statten gehen. Wie? Über die Begriffsinhalte, die Intensionen. – Das hat nichts mit Intention = Absicht zu tun. Klingt zwar fast genauso, ist aber ein völlig anderer Begriff mit völlig anderem Begriffsinhalt und völlig anderem Begriffsumfang.

Explikationen

Den Begriff „Toleranz“ könnten wir zum Beispiel wie folgt erklären (explizieren) und damit auch zu anderen Phänomenen abgrenzen (definieren): „Toleranz bedeutet Duldsamkeit, ein Geltenlassen und Gewährenlassen anderer, fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten, diese zu ertragen, auch und gerade wenn man sie selbst nicht teilt.“
Jetzt wird ein Begriff – Toleranz – also über andere Begriffe – Geltenlassen, Überzeugungen, Sitten etc. – erklärt, was voraussetzt, dass diese verstanden und korrekt gebildet wurden. Und jetzt merken wir auch schon, wenn Begriffe an der Basis schon ungenau gebildet wurden, setzen sich diese Ungenauigkeiten nach oben bei den noch abstrakteren Begriffen fort, was leicht dazu führen kann, dass Missverständnisse auftreten, die nicht leicht auszuräumen sind, weil jetzt quasi erstmal ein Abstieg erfolgen müsste, bei dem die Basisbegriffe im Geist erstmal korrigiert werden müssten.
Wenn zum Beispiel jemand den Begriff der Mumie nicht richtig erfasst hat, dann sagt er vielleicht: „Die Ureinwohner Ägyptens waren die Mumien“. Wenn er dann irgendwann hört, dass man meinetwegen in Südamerika auch Mumien gefunden hat, dann wird er überlegen, wie denn die Ureinwohner Ägyptens nach Südamerika gekommen sind.

Wort – Assoziationen – Begriff

Hierbei geht es nicht darum, welche Vorstellungen und Assoziationen in Ihnen oder mir entstehen, wenn wir ein Wort (Bezeichnung) hören. Wenn Sie das Wort „Mond“ oder „Fluss“hören oder lesen, haben Sie mit Sicherheit andere Assoziationen als ich. Vielleicht assoziieren Sie bei Fluss einen Spaziergang oder ein Unwetter und ich Heraklit oder umgekehrt, aber wir können wahrscheinlich beide auf ganz viele Entitäten zeigen oder solche benennen und beide sagen: „Das ist ein Fluss“.
Wenn Ihr und mein Begriffsumfang identisch sind, dann haben wir den gleichen Flussbegriff in unserem Kopf – unabhängig von unseren Assoziationen – und an der Stelle wird es kaum Missverständnisse zwischen uns geben, weil wir mit dem Wort das Gleiche meinen. Das von dem Wort „Fluss“ Bezeichnete ist bei uns dann identisch. Und wenn sich ein Engländer zu uns dazu gesellt, so wird er den gleichen Begriff als „river“ bezeichnen, meint aber eventuell ebenfalls das Gleiche. Umgekehrt kann ein Wort ganz verschiedene Begriffe bezeichnen (Homonym, Äquivokation), zum Beispiel „Bank“ für die Sitzgelegenheit und das Kreditinstitut – gleiches Wort, anderer Begriff. Und verschiedene Wörter können den gleichen Begriff meinen (Synonyme), z.B. Orange und Apfelsine. So, jetzt aber zurück zum Islam.

Bei der Behauptung, den Islam gäbe es gar nicht, geht es nur um eines: Verschleierung

Es gibt enorm einflussreiche Kräfte, sowohl innerhalb der islamischen Welt als auch außerhalb dieser, insbesondere bei uns und hier ganz besonders in der Ecke der Grünen, der Sozis, der Linken und auch der CDU und FDP, aber auch in der Führung der christlichen Kirchen, die zu verhindern trachten, dass ein klarer Begriff des Islam im Geist unserer Bürger gebildet wird. Frage: Warum wollen sie das verhindern?
Antwort: Weil sie verschleiern wollen. Die Erfindung des Begriffs „Islamismus“, den es im Arabischen und in der islamischen Weltanschauung gar nicht gibt, dient zum Beispiel genau diesem Zweck: der Verschleierung. Dazu gleich mehr. Doch fragen wir jetzt: Was bedeutet Islam? Wie können wir diesen exakt definieren (abgrenzen) beziehungsweise explizieren (erläutern)?

Nominal- und Realdefinition (Explikation)

Das ist bei weitem nicht so schwer, wie die systematischen Verschleierer (Heuchler) uns glauben machen wollen. Wir suchen zunächst den Oberbegriff und dann die spezifischen Merkmale. Das Verfahren, Realdefinition genannt, geht schon auf Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) zurück. Anders als bei der Nominaldefinition geht es hier nicht darum einen Begriff durch einen anderen zu ersetzen, zum Beispiel so: Sprachwissenschaft = Linguistik. Eine solche Nominaldefinition enthält keinerlei empirischen Informationen. Sie kann auch nicht wahr oder falsch sein, da es einfach eine mehr oder weniger sinnvolle und brauchbare Setzung ist.
Anders dagegen die Realdefinition. Hier haben wir eine echte Sacherklärung, die wertvolle Informationen über das Bezeichnete, hier den Islam, enthält. Eine Realdefinition von X liefert Aussagen über die Eigenschaften von X, die wesentlich sind für X. Diese Aussagen können wahr oder falsch sein. Was hier also geschieht, ist, dass ein Begriff, das was von dem Wort „Islam“ bezeichnet wird, erläutert wird. Daher spreche ich normalerweise eher von Explikation als von Definition, wenngleich die Explikation natürlich auch zu einer Abgrenzung zu anderen Phänomenen führt, somit X auch definiert. Was sind nun also die wesentlichen Eigenschaften des Dings, das wir „Islam“ nennen (die Anführungszeichen setze ich hier, weil ich das Wort, die Bezeichnung meine und nicht den Begriff selbst, nicht das von dem Wort Bezeichnete).

Beim Islam handelt es sich um eine religiöse Weltanschauung

Beim Islam handelt es sich 1. um eine Religion (Oberbegriff), also eine spezielle Weltanschauung (Oberoberbegriff), die a) eine zweite Welt, eine Transzendenz (Jenseits) postuliert oder annimmt, an dessen Existenz die Anhänger dieser Weltanschauung fest glauben. Ferner glauben diese b), dass diese jenseitige, sinnlich nicht direkt erfassbare Welt irgendwie Einfluss habe auf das Diesseits. Das ermöglicht z.B. die Motivation zu beten, weil derjenige hofft, dass durch sein Gebet eine Macht aus dem Jenseits zu seinen Gunsten in das Diesseits eingreifen würde, wenn er sich dieser höheren Macht unterordnet und sie brav anbetet.
Das heißt, er erhofft sich, dadurch selbst Macht über das Diesseits zu erlangen, indem er eine höhere Macht durch sein Brav-sein günstig zu stimmen sucht, was bei nicht personenhaften Naturgesetzen nicht ganz so viel Sinn ergäbe. Da das Jenseits so vorgestellt wird, dass es auf das Diesseits (die Immanenz) irgendwie Einfluss nehmen kann, verändert dies also das Diesseits selbst, welches dadurch c) ebenfalls zweigeteilt wird in eine Sphäre des Profanen (Weltlichen) und eine Sphäre des Heiligen.
Zur Religion wird das Ganze, wenn d) hinzu kommt, dass diese Vorstellungen zu einem System ausgebaut werden, das auch rationale Elemente (logische Verbindungen) enthält und das das Zusammenleben der jeweiligen religiösen Weltanschauung (der Religionsgemeinschaft) regelt. Dies alles trifft auf den Islam eindeutig zu, so dass es sich um eine Religion handelt. Doch was ist nun das Spezifische am Islam? Was unterscheidet ihn von anderen religiösen Weltanschauungen?
Innerhalb des Religionsbegriffs könnten wir zunächst die Gruppe von Weltanschauungen als Unterbegriff zusammenfassen, die in ihre vorgestellte Transzendenz Götter hineinsetzen. Dann könnten wir innerhalb dieser Gruppe diejenigen als Untergruppe dieser Untergruppe beschreiben, die genau einen Gott postulieren. Das wären insbesondere die drei größeren das Judentum, das Christentum und der Islam, sowie einige kleinere. Damit haben wir den Begriff Islam schon mal recht gut eingegrenzt. Jetzt geht es darum, das Spezifische am Islam zu fassen zu bekommen, seine Essenz.

Die Essenz des Islam 1: Allah und Mohammed

Betrachten wir dazu als erstes das islamische Glaubensbekenntnis (Schahāda, auch: Taschahhud), das die erste der sogenannten „fünf Säulen des Islam“ bildet. Dieses lautet: a) „Es gibt keinen Gott (oder: keine Gottheit) außer Allah“. Warum „Allah“ niemals mit „Gott“übersetzt werden sollte, erläuterte ich bereits an anderer Stelle. Hier nur ganz kurz: Mit Allah ist der arabische Gott gemeint und das ist ein anderer als zum Beispiel der Christengott, da er andere Eigenschaften hat als dieser (der eine hat einen Sohn, der andere nicht, der andere ist ein liebender Gott, der andere ist nur „barmherzig“ usw.). Der zweite Teil des Glaubensbekenntnisses ist die Bestätigung Mohammeds als Gesandter Gottes: b) „Mohammed ist der Gesandte Gottes“
Damit haben wir bereits die Essenz der Essenz der islamischen Weltanschauung. Es gibt einen und nur eine Gottheit, nämlich Allah, und Mohammed ist sein Prophet. Wer das auch nur ansatzweise negiert, kann kein Muslim = Anhänger des Islam sein. Zu sagen, ja, es gebe nur eine einzige Gottheit, aber Mohammed war nicht von dieser gesandt, bedeutet, den Islam zu negieren. Ebenso wenn jemand sagt, Mohammed sei ein kluger, weiser Mann und guter Staatsgründer gewesen, an seine Regeln solle man sich halten, aber eine Gottheit gebe es gar nicht oder aber es gebe mehrere solche. Daher können Muslime auch Jesus nicht als göttlich ansehen, da es somit ja zwei göttliche Personen gäbe, Vater und Sohn (ebenso bei der jüdischen Weltanschauung). Für Muslime (und Juden) ist Jesus ein Prophet, aber nicht der Sohn Gottes, nicht von göttlicher Natur, sondern nur und ausschließlich Mensch.

Wer die Essenz negiert, ist aus Sicht der Muslime ein Ketzer

Und der erste Denker im islamischen Kulturkreis, der ohne Einschränkung für die Autonomie der Philosophie eintrat, Abū Bakr Muḥammad ibn Zakaryā ar-Rāzī (Rhazes, 865 – 925), der wohl größte Mediziner und einer der größten Gelehrten seiner Zeit weltweit, der zwar den einen und einzigen Gott lehrte, der aber davon überzeugt war, dass dieser barmherzige und gerechte Gott allen Menschen die Fähigkeit zur Erkenntnis geschenkt habe, der mithin ausschloss, dass es so etwas wie ein exklusives Offenbarungswissen für einzelne Personen gäbe, der somit alle, die sich selbst als Propheten ausgaben, negierte und diese als Betrüger bezeichnete, war kein Muslim, war kein Anhänger des Islam.
Denn Rhazes war der Auffassung: Alle sogenannten „Propheten“, insbesondere Moses, Jesus und Mohammed, täuschten ihre Eingebungen nur vor (vielleicht auch vor sich selbst), um dann eine angeblich privilegierte Gemeinschaft hinter sich scharen, die dann meist nichts Besseres zu tun habe, als sich mit anderen Gemeinden, die sich ebenfalls im alleinigen Besitz dieser „geoffenbarten Wahrheit“ wähnen, die aber seltsamerweise denen der anderen widerspricht, Krieg zu führen. Ganz folgerichtig wurde Rhazes schon von seinen Zeitgenossen als „Ketzer“ bezeichnet und sein Werk nur bruchstückhaft überliefert. Halten wir fest: Diese zwei Grunddogmen dürfen innerhalb der islamischen Weltanschauung nicht negiert werden. Wer das tut, befindest sich außerhalb der islamischen Weltanschauung.

Essenz 2: Mohammed ist der letzte Prophet Allahs

Die Schiiten fügen dem islamischen Glaubensbekenntnis meist noch c) hinzu: „ Ali ist der Freund Gottes“. Damit sind wir aber bereits bei einer Unterbegriffsbildung des Begriffs Islam. Es gibt innerhalb dieser religiösen Weltanschauung verschiedene Strömungen. Die Gesamtgruppe der Muslime (Anhänger des Islam) unterteilt sich mindestens in zwei Gruppen: Sunniten (ca. 85 Prozent der Muslime) und Schiiten (ca. 15 Prozent). Wenn wir von „dem Islam“ sprechen, interessieren uns aber gerade die Gemeinsamkeiten. Zwei solche haben wir bereits eruiert. Doch das sind nicht die einzigen.
Für alle Muslime ist Mohammed nicht nur ein Prophet in einer langen Reihe solcher, sondern – das ist das nächste Dogma – er wird als das „Siegel der Propheten“, als der letzte von Allah, dem einen und einzigen Gott, Gesandte angesehen. Wer also sagt, er glaube an den einen und einzigen Gott (der Arabisch spricht und schreibt) und dass Mohammed sein Prophet war, er glaube aber, dass es nach Mohammed noch weitere Propheten gab oder geben wird oder auch nur geben kann, der befindet sich ebenfalls außerhalb des Islams. Wir erinnern uns: Definieren heißt immer abgrenzen, eine Grenzlinie ziehen, was ist noch innerhalb, was ist schon außerhalb des Begriffs. Mohammed nicht absolut als den letzten Propheten Allahs anzusehen, reicht bereits, um außerhalb zu sein, um ein „Ketzer“ zu sein.
Das Beharren darauf, dass nach Mohammed kein „Gesandter Allahs“ mehr kommen könne, was Mohammed selbst verkündet hat, ist sehr wichtig, weil dadurch einer Weiterentwicklung von oben, von Allah selbst, quasi ein für alle mal ein Riegel vorgeschoben ist, während Mohammed selbst behauptete, er würde die Verfälschungen der Juden und Christen korrigieren. Die Abschottung vor weiteren Propheten könnte man als eine Art Kritikimmunisierung und als Entwicklungssperre ansehen.

Essenz 3: Koran und Sunna

Ferner gibt es noch eine Kritikimmunisierung und Entwicklungssperre, nämlich in der nächsten Essenz des Islam, seiner sogenannten „heiligen Schrift“, dem Koran. Dieser beansprucht nämlich selbst anders als zum Beispiel die „heilige Schrift“ der Christen, die Bibel, unmittelbar das Wort Allahs zu sein. Das Ganze habe man sich so vorzustellen, dass im Himmel bei Allah der Originalkoran liege, der von Allah verfasst und der Mohammed abschnittsweise über einen Engel übersandt wurde. Dieser habe sich alles ganz genau angehört und gemerkt und dann mündlich weitergegeben. Andere haben, da Mohammed wohl weder lesen noch schreiben konnte, so die Behauptung in der islamischen Überlieferung, dies teilweise gleich notiert, teilweise nach seinem überraschend frühen Tode. Auf diese Weise sei ein Koran hier auf Erden entstanden, der dem im Himmel gleiche. Wer dies negiert, ist wiederum draußen, ist nicht mehr innerhalb der islamischen Weltanschauung. Somit haben alle Muslime, gleich welchen Bekenntnisses oder welcher Sekte sie angehören, einen im Wesentlichen übereinstimmenden Korantext.
Um es jetzt kurz zu machen, können wir nun fortfahren und die Wesensmerkmale des Islam komplettieren: Über das bisher Herausgearbeitete – Allah als einziger Gott, Mohammed als letztere Prophet, Koran als wörtliches Wort Allahs – hinaus kommt hinzu: die Hadithe(normsetzende Aussprüche und Handlungen von Mohammed, der als der ideale Mensch angesehen wird), seine Lebensgeschichte (Sira), beides zusammen ergibt die sogenannte Sunna. Hinzu kommen die fünf Säulen des Islam, die sich aus all dem ergeben, ebenso die Scharia, das islamische Gesetz, welches sich wiederum aus Koran und Sunna ergibt usw. usf.

Der Islam ist keine rein religiöse, sondern eine religiös-politische, totalitäre Weltanschauung

All das zusammen spannt eine Weltanschauung auf und zwar – auch das ein ganz wesentlicher Punkt – keine rein religiöse. Denn aus Koran und Sunna ergeben sich nicht nur Vorschriften und Verbote für das individuelle Leben, um Allah wohlgefällig zu sein, sondern auch Vorschriften, wie das gesellschaftliche Zusammenleben auszusehen hat, welche Stellung der Frau zukommt, wie „Sünder“ hier auf Erden bestraft werden sollen, die gegen die Scharia verstoßen, und dergleichen.
Das heißt, wir haben es hier mit einer religiös-politischen Weltanschauung zu tun und da diese sämtliche Lebensbereiche des Menschen erfasst, bis hin zu Speisevorschriften, zum Umgang mit Musik und Sexualität, mit einer totalitären, die kaum Freiräume gibt, die alles – und zwar für immer! – festzurrt, weil ja Allah nicht als lern- und entwicklungsfähig vorstellt wird und weil der irdische Koran quasi als ein Duplikat des himmlischen Originals postuliert wird.

Der Mensch als Knecht Allahs und die Hierarchie der Menschen

Dem Menschen kommt in dieser Weltanschauung nur eine einzige Aufgabe zu: ein guter, das heißt gehorsamer Knecht Allahs zu sein und für die Ausbreitung des Islam zu sorgenbeziehungsweise dabei direkt oder indirekt mitzuhelfen. Er braucht oder soll nichts erfinden oder erforschen. Er soll zu Allah beten und gehorchen. Und er soll diejenigen, die eine nichtislamische Weltanschauung haben („die Ungläubigen“), bekämpfen und sie sich auf keinen Fall zum Freund nehmen. Somit bekommen wir eine Hierarchie von Menschen, abhängig von ihrem religiösen Glauben, genauer: abhängig von ihren metaphysischen Spekulationen. Ganz oben stehen
  1. die Muslime, genauer: die muslimischen Männer, da die Frauen generell unter den Männern stehen. Ihnen folgen
  2. die Juden und Christen, da sie zumindest auch an den „einen und einzigen Gott“ glauben und eine „heilige Schrift“ haben, wenngleich sie die islamische Lehre, welche die einzig richtige ist, verfälschen. An
  3. Stelle folgen dann die religiösen Menschen, die an viele Götter glauben, die Polytheisten, also zum Beispiel Hindus. Noch schlimmer aber sind aus islamischer Sicht
  4. diejenigen, die an gar keinen Gott glauben, also die Atheisten, welche in der islamischen Weltanschauung ganz unten stehen, auf der Stufe von Tieren, wenn nicht sogar noch unter diesen. Hier können Sie hören und lesen, wie Muslime vielfach über Atheisten „denken“.

Zusammenfassung: die Essenz der islamischen Weltanschauung

Fassen wir die Essenz der islamischen, religiös-politisch, totalitären Weltanschauungzusammen:
  1. Es gibt einen und genau einen Gott, nämlich Allah. Dieser ist über alle Maßen mächtig und unfehlbar, barmherzig und gut und nur er definiert gut.
  2. Mohammed ist sein Prophet.
  3. Nach Mohammed kann kein weiterer Prophet mehr kommen.
  4. Im Koran haben wir das Originalwort Allahs vorliegen, welches Mohammed per Verbalinspiration zugeleitet wurde.
  5. Mohammed war der ideale Mensch, aus seinen Worten und Taten (Hadithe) und seinem Leben (Sira) kann entnommen werden, wie Menschen leben sollen (Sunna).
  6. Aus alledem leitet sich die Scharia ab, das islamische Gesetz mit genauen Vorschriften, die das gesamte Leben der Menschen regeln, auch das weltliche.
  7. Aufgabe des Menschen ist es, ein allahgefälliges Leben zu führen, ein braver Knecht zu sein und bei der Ausbreitung des Islam zu helfen, „die Ungläubigen“ zu bekämpfen.
  8. usw. usf.
Ganz wichtig: Wer einen dieser Punkte negiert, auch nur einen einzigen (!), ist außerhalb der islamischen Weltanschauung. Der Islam ist kein Steinbruch, wo sich jeder bedienen kann, wie er möchte (Rosinenpickerei), und sich dann aus einzelnen herausgepickten Steinchen zusammen mit solchen aus anderen religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauungen sich sein Privat- oder Sektenweltbild basteln kann. Man kann das freilich schon tun, aber dann ist man nicht mehr innerhalb des Islams und auch kein richtiger Muslim. Folgerichtig wird man von den orthodoxen und radikalen Moslems dann meist als Ketzer verfolgt oder oder inkonsequenter Abweichler zur Disziplin gerufen. Und damit sind wir bei der Frage: Was ist mit dem Islamismus?

Es gibt keinen „Islamismus“, es gibt nur den Islam und alle anderen

Diesen Begriff gibt es wie gesagt weder in der arabischen Sprache noch in der islamischen Weltanschauung. Es gibt Muslime und „Ungläubige“, sonst nichts. Warum haben bestimmte Personen diesen Begriff „Islamismus“ erfunden? Der Grund ist ganz einfach. Die wenigsten Menschen denken sauber auf begriffliche Art, wie oben beschrieben. Sie assoziieren mehr als dass sie mit Begriffen operieren. Die Begriffe sind meist schon irgendwie vorhanden, aber nicht trennscharf, manchmal auch völlig ungenau. Und die Begriffsnamen, die Worte, lösen immer Assoziationen aus, die oftmals positiv oder negativ konnotiert sind. Also versucht man a) über die Sprache systematisch zu manipulieren (orwellscher Neusprech) und b) Menschen von klein auf zu indoktrinieren (siehe Brave New world). Wie man das machen kann, haben George Orwell 1948 in 1984 und Aldous Huxley 1932 in Brave new world (Schöne neue Welt) wunderbar beschrieben.
Der Begriffe Religion und Gott sind in christlich geprägten Kulturen bei den meisten eher positiv bis sehr positiv konnotiert (mit Nebenbedeutungen versehen) und assoziiert. Das wird den kleinen Kindern von klein auf so eingetrichtert, meist bis ins Innerste ihrer Seele, so dass sie davon, selbst wenn sie wollen, nicht so einfach wieder frei kommen. Wenn also gesagt wird, der Islam sei eine Religion, die ebenfalls den einen und einzigen Gott habe, genau wie das Christentum, was auch beides stimmt, dann hat der Begriff Islam schon mal einen ganz großen Bonus bei den meisten. Die Atheisten und Agnostiker sehen das natürlich anders und können unbefangener mit dem Thema umgehen, manche auch schon von vorneherein negativ eingenommen, wenn sie z.B. Religionen generell ablehnen und alle undifferenziert über einen Kamm scheren, genau wie die Religiösen, nur eben invers.

Durch die Erfindung des Kunstbegriffs „Islamismus“ soll der Islam von dem Widerwärtigen reingewaschen werden

Nun gibt es offensichtlich Kräfte, insbesondere in der Herrschaftskaste, die möchten, dass der Islam so positiv wie nur möglich konnotiert und assoziiert wird. Eine begriffliche Auseinandersetzung findet ja so gut wie gar nicht statt, ist auch nicht gewollt. Viele Europäer merken aber, dass da nicht alles gold ist, was als solches ausgegeben wird, um es sehr vorsichtig zu formulieren. Vor allem die unfassbar grausamen Verbrechen, die gerade Muslime immer wieder begehen, fallen den Menschen sehr negativ auf, auch der Umgang mit Frauen, Kindern und Tieren.
Damit besteht die Gefahr, dass diese extrem negativen, ja oft widerlichen Phänomene allmählich mit dem Islam assoziiert werden, was ja auch richtig wäre oder ist. Genau das möchte man unterbinden. Wie kann man das machen? Indem man einen Kunstbegriff erfindet, so dass man jetzt sagen kann: Das Böse, das Eklige, das Gefährliche, das Widerwärtige, all das hätte mit dem Islam gar nichts zu tun. Das wäre – und jetzt kommt das Zauberwort – „Islamismus“. Die, die so etwas machen, wären gar keine Muslime, das wären „Islamisten“. Damit, so hofft man, könne man den Islam von all diesen widerlichen Verbrechen reinwaschen, indem man einen Teil aus ihm herausschneidet, indem man das besonders und augenscheinlich Böse aus dem Islam künstlich segregiert.
In Wahrheit müsste man natürlich nur prüfen, ob die „Islamisten“ = radikale Muslime respektive die, die sich dafür ausgeben, die Essens der islamischen Weltanschauung bejahen. Und man würde vielfach feststellen: Ja und ob! Viel mehr als viele andere Muslime, vor allem viel mehr als die rein kulturellen Muslime, die gar nicht an die islamische Weltanschauung glauben, aber auch mehr als die „liberalen oder moderaten Muslime“ (Rosinenpicker).

Fazit

Zu sagen, den Islam gäbe es gar nicht, ist also Unsinn. Genau so unsinnig wäre es zu sagen, Viruserkrankungen gäbe es gar nicht, denn jede Krankheit sei ja anders, oder den Fußballsport gäbe es gar nicht, denn es gäbe ja Männer-, Frauen und Kinderfußball, Rasen- und Hallenfußball, Bundesliga, zweite Liga, Regionalliga, Champions-League, Fußballweltmeisterschaft usw. usf. Natürlich gibt es den Fußballsport und natürlich gibt es den Islam. Dass es Unterschiede gibt, heißt einfach nur, dass es Unterbegriffe innerhalb des Oberbegriffs gibt. Mehr nicht.
Die Aufgabe, einen Begriff sauber zu explizieren, also zu erläutern, zu entfalten, was in ihm steckt, und ihn somit auch nach außen abzugrenzen, sprich zu definieren, habe ich oben versucht. Das könnte sicherlich noch fortgeführt und noch mehr verfeinert werden. Aber ich denke, das Prinzip ist klar geworden. Und wir können feststellen: Es gibt den Islam und der macht uns und allen anderen auf der Welt, ja sogar den Muslimen selbst vor allem eines: Probleme. Daraus sollten wir – das hat mit Aufrichtigkeit und Redlichkeit zu tun – endlich die Konsequenzen ziehen.

Die deutsche Kultur wird in den Einzelnen überleben oder gar nicht, der Kampf gilt der Erhaltung der Zivilisation

https://juergenfritz.com/2018/05/18/kultur-zivilisation/








Ein Gastbeitrag von Michael Klonovsky


Der deutsche Konservatismus muss freiheitlicher werden, sagt Michael Klonovsky. Die deutsche Kultur sei nicht für die Ewigkeit geschaffen, kümmern wir uns lieber um die Zivilisation. Lesen Sie hier den Text seiner wirklich bemerkenswerten Rede, die er am 17. April 2018 bei der AfD München hielt und die er nun auf vielfachen Wunsch veröffentlichte.

Wir sind Angehörige eines irrationalen, romantischen Volkes, das in 100 Jahren dreimal seine Bestände seinen Parolen opferte

Meine Damen und Herren, Heinrich von Kleist hat einen großartigen Text geschrieben: „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“. Ein vergleichbares Prinzip gilt für die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben. Dieser Vortrag stand ursprünglich unter dem Motto: „Zukunft braucht Wurzeln“, doch bei der Niederschrift wurde mir ein Gedanke immer klarer, nämlich dass diese Wurzeln zunehmend zur Privatsache werden. Das heißt, der Charakter meiner Darlegung ändert sich ein wenig. Ich werde zu Ihnen darüber sprechen, wer oder was an diesen Wurzeln herumschneidet und wie man als Konservativer damit umgehen könnte. Aber ich will auch darüber sprechen, wie man als Konservativer, falls die Gesellschaft sich wirklich von ihren Traditionswurzeln abtrennt, gewissermaßen freiheitliche Luftwurzeln schlagen kann.
Konservativ zu sein, heißt zunächst einmal, die Maximen zu beherzigen, die Gottfried Benn in seiner Prosaskizze „Der Ptolemäer“ niedergeschrieben hat:
„Erkenne die Lage! Rechne mit deinen Defekten! Gehe von deinen Beständen aus, nicht von deinen Parolen!“
Das ist, am Rande bemerkt, das genaue Gegenteil von dem, was die Oberste deutsche Heeresleitung ab 1917 getan hat, was Hitler ab 1939 veranstaltet hat, was Merkel seit spätestens 2015 tut. Wir sind offensichtlich Angehörige eines irrationalen, auf eine gefährliche Weise romantischen Volkes, das in den vergangenen 100 Jahren dreimal seine Bestände seinen Parolen geopfert hat. Beim ersten Mal waren die Konservativen beteiligt, das nur am Rande. Erkenne die Lage. Wie ist sie?

Wir befinden uns in einer globalen Gleichzeitigkeit ungekannten Ausmaßes, welche die Vergangenheit zusammenschrumpfen lässt

Der heutige Welttag ist den Konservativen nicht günstig, sofern sie sich im Sinne des conservare, des Bewahrens verstehen. Die Klüfte zwischen den Generationen sind breiter und tiefer denn je, und zwar nicht, weil die jüngere Generation gegen die ältere rebelliert – das tat sie schon weit heftiger –, sondern weil durch die technische Entwicklung und all jene Prozesse, die man unter Globalisierung zusammenfasst, die Folgegeneration jener ihrer Eltern immer unähnlicher wird. Mit den Worten des IT-Gurus Ray Kurzweil: „Schauen Sie sich Ihr Kind genau an, wenn es erwachsen ist, wird nahezu nichts auf der Welt mehr so sein wie heute.“
In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entstand durch die Nachrichtenelektronik und den Flugverkehr eine bislang ungekannte globale Gleichzeitigkeit. Plötzlich konnten sich Menschen über Kontinente hinweg als „Generation“ empfinden. Heute wird der gesamte Globusdurch die Digitalisierung, durch Popmusik, Nachrichten und Sportereignisse auf synchron gestellt. Die sukzessive Verbreitung des Englischen als Weltsprache – gewissermaßen die beginnende Aufhebung der babylonischen Sprachverwirrung – ist ein integraler Bestandteil dieses Prozesses.
Die Synchronschaltung des Globus läuft, bei aller Ungleichzeitigkeit der technologischen und sozialen Zustände in den Ländern, auf eine Totalherrschaft der Gegenwart hinaus. Der moderne westliche Mensch lebt außerhalb der Geschichte, jedoch nicht so wie der Bauer des Mittelalters, dessen Leben sich in naturhaften Zyklen vollzog, in denen nichts normaler war als der Wechsel einander gleichender Generationen, sondern er verliert die Fähigkeit, in Zusammenhängen zu empfinden. Er würde diese Fähigkeit als sentimentale Schwäche bezeichnen. Vergangenheit schrumpft zu einem gleichförmigen „Früher“, dem zugleich das Etikett „Schlechter“angeklebt ist. Tradition erscheint fast nur noch als Ballast.

Die Zeit trennt mehr als der Raum, weil es den Raum nicht mehr gibt

Der moderne westliche Mensch betrachtet sich nicht mehr als Zwischenglied einer Kette, die Verbindung zum Gestern ist abgerissen, und ob er je eine zum Morgen herstellen wird, hängt von biografischen Zufällen ab. Viele maßgebliche deutsche und westeuropäische Politiker stellen diese Verbindung nicht mehr her; Merkel, Macron, Theresa May, Juncker, Göring-Eckart, Hofreiter, Scholz, Altmaier: Das sind alles Aussterbende.
Der moderne westliche Mensch denkt seine Enkel nicht nur nicht mehr mit, er glaubt oftmals gar nicht mehr an an die Existenz von Enkeln. Deswegen beginnt dieser Menschenschlag sich einzureden, es gebe zwischen seinen Nachkommen und denen der anderen keinen Unterschied, mögen die anderen auch von noch so fern kommen und noch so rustikale Sitten pflegen. Dem modernen Durchnittsdeutschen sind etwa der Kanadier, der Brasilianer oder der Taiwanese seiner Gegenwart näher und vertrauter als der deutsche Bürger des späten 19. Jahrhunderts, vom preußischen Freiwilligen des Jahres 1813 zu schweigen, denn diese Menschen essen dasselbe Fastfood wie er, sie sehen dieselben Filme, hören dieselbe Musik und träumen dieselben Träume.
Dass sich die Angehörigen eines Volkes oder eines Kulturkreises stärker von ihren Vorfahren getrennt fühlen als von anderen zeitgenössischen Völkern und Kulturkreisen, ist welthistorisch beispiellos. Die Zeit trennt mehr als der Raum, weil es den Raum nicht mehr gibt. Die modernen Verkehrs- und Kommunikationsmittel und die Ideologie der Globalisierung haben ihn aufgehoben.

Die Verwurzelung in der Zeit schwindet

Das heißt, dass die Verwurzelung in der Zeit quasi täglich schwächer wird, weil diese Wurzeln absterben. Die Menschen haben aus dem Fortschritt der Technik, der Medizin und der Unterhaltungsindustrie den Schluss gezogen, dass nichts mehr alt sein darf. Die Revolution ist quasi auf Permanenz gestellt. Deshalb werden einem heutzutage die Klassiker, wenn überhaupt, stets mit der Beifügung angedient, sie seien hochaktuell. Neuheit und Aktualität sind Werte an sich geworden„gestrig“ ist ein Schimpfwort, steigerbar zur Exkommunikationsformel „ewiggestrig“. Alle traditionellen Gesellschaften wandelten in den Spuren ihrer Altvordern, wir verwischen sie – wenn wir nicht gerade damit beschäftigt sind, jene zu verurteilen, die sie hinterließen.
Die Geschwindigkeit, mit welcher der Mensch heute kulturelle Verluste hinnehmen und sich neuen Konstellationen anpassen muss, nimmt ständig zu. Die Komplexität der modernen Welt wird immer verwirrender und unüberschaubar. Es war einmal möglich, etwa vom Standpunkt Hegels, Darwins, Freuds, Marx’ oder Rudolf Steiners, komplette Gesellschaftsmodelle zu konstruieren. Das würde heute niemand mehr versuchen. Kein Kopf kann das globale Geschehen mehr zusammendenken.
In diesem Sinne ist jeder moderne Politiker ein tragischer Mensch: Die Spielregeln sind viel zu komplex, als dass er sie überschauen könnte, sobald er handelt, wird er schuldig – er ahnt nur noch nicht, woran genau. Deswegen sieht Nicht-Handeln zuweilen wie die Lösung aus.

Die gesamte Entwicklung scheint auf Treibsand zu stehen

Man muss sich zur Stützung dieser These lediglich anschauen, welche Faktoren in absehbarer Zukunft unser Land beeinflussen werden:
  • rückläufiges Weltwirtschaftswachstum, exorbitante Staatsverschuldung, Finanzkrisen, Protektionismus;
  • Abspaltungsbewegungen innerhalb der EU, mit welchen politischen Konflikten auch immer;
  • die künstlich erzeugte Konfrontation mit Russland; ein moderner Dreißigjähriger Krieg in Syrien, in den Russland und die USA noch mehr hineingezogen werden; der Antagonismus Iran – Saudi-Arabien, in den die Großmächte ebenfalls involviert sind;
  • direkte Migration aus Afrika und dem Orient sowie Migration via Kreißsaal und Familiennachzug; die Abhängigkeit des europäischen Grenzregimes von der in Richtung Gottesstaat abdriftenden Türkei aufgrund von Merkels Alleingängen; die Einflussnahme der Türkei in die inneren Angelegenheiten Deutschlands über die türkische Minderheit;
  • aggressive Re-Islamisierung des Orients, islamischer Terrorismus; islamische Landnahme in Europa;
  • Energiebeschaffungsprobleme; wir stehen am absehbaren Ende der fossilenergetischen Epoche, im Verlauf des nächsten Menschenalters wird sich ein industrieller Muskelschwund einstellen und wahrscheinlich mittels Kernenergie therapiert werden, eine Energieform, aus deren Erzeugung und vor allem Erforschung wir ja triumphal ausgestiegen sind;
  • Ernährungsbeschaffungsprobleme für eine unbeirrt wachsende Weltbevölkerung; in einer immer dichter bevölkerten Welt allzeit drohende Pandemien;
  • Überfischung und Verschmutzung der Meere, Klimawandel (ich sage bewusst nicht: menschengemacht);
  • das weitere Ausgreifen Chinas mit seinem Produktions- und Energiehunger; und wieder Konfrontation mit den USA
  • das globale Nomadisieren der Wirtschaft und der Qualifizierten und parallel dazu das Wachsen des heimischen Prekariats, die immer weitere Technisierung und Elektronisierung des Alltags, die immer dichtere Vernetzung von immer mehr Personen und Institutionen;
  • die Gentechnik mit ihren ungeahnten Möglichkeiten der Optimierung des Menschen bis zur Alterslosigkeit;
  • die künstliche Intelligenz mit ihren ungeahnten Möglichkeiten, ein menschenunabhängiges Denken zu erzeugen, immer mehr von Maschinen und Computern geleistete Arbeit;
  • dazu demografische Erschöpfung, Kriminalität, Verslumung, No-Go-Areas, Analphabetentum, zusammenbrechende Sozialsysteme… – halten wir an dieser Stelle erschöpft inne. Alles steht wie auf Treibsand.

Der westliche Konservative sieht sich im Zangengriff zwischen linken Hyperprogressionisten und muslimischen Ultrakonservativen

Wie um alles in der Welt kann man sich in dieser Lage als ein Konservativer positionieren, ohne als ein Schrat zu erscheinen, als ein hinterwäldlerischer Narr, als ein Don Quichotte? Zumal es ja noch andere, sozusagen konkurrierende Konservative gibt, auch hierzulande in wachsender Zahl, die eine konservative Revolution anstreben, totaler und radikaler, als wir sie uns heute überhaupt erst vorstellen können. Denn was ist der Islam aus westlicher Sicht anderes als eine konservative Revolution? Überraschenderweise wird sie von den Linken und Liberalen unterstützt, weil alle Relationen ins Rutschen geraten sind und Revolutionen eben immer ihre nützlichen Idioten finden.
Der westliche Konservative sieht sich in einer Zange. Auf der einen Seite die dahinschießende Zersetzung und Verramschung aller Bestände und Institutionen im Namen des Fortschritts, auf der anderen Seite ein restauratives Konkurrenzunternehmen, das zwar ein den westlichen Fortschrittlern komplett entgegengesetztes Ziel verfolgt, sie aber im Erfolgsfall an Zerstörungskraft noch überträfe. Beide Seiten haben einen universalistischen Anspruch – der Konservative ist von Natur aus Partikularist. Der geradezu dialektische Witz wird darin bestehen, dass beide Universalismen, der globalistische wie der islamische, lauter neue Partikularismen erzeugen.
In einem grotesken Zugleich werden auf verstreuten Inseln der Seligen Designerbabys und künstliche Ersatzorgane für Eliten gezüchtet, während nebenan ein religiöser Text aus dem 7. Jahrhundert als unübersteigbare Wahrheit gilt, auf deren Nichtakzeptanz die Todesstrafe droht. Zonen hypertropher Ordnung und wildester Anarchie werden direkt nebeneinander bestehen, wissenschaftliche und wirtschaftliche „Kompetenzfestungen“ (Gunnar Heinsohn) direkt neben Clangebieten, wo das Faustrecht herrscht, Astronautenausbildung neben Ehrenmorden, höfliche Automaten neben Bandenkriegen, Gender-Studies neben Voodoo – das ist eigentlich kein Widerspruch, ich weiß –, genoptimierte Hundertjährige neben bereits zahnlosen Zwanzigjährigen, militante Tierschützer neben Schächtern, universitäre Schutzräume, in denen die geschlechtergerechte Sprache penibel beachtet wird und aus denen jeder Bub verwiesen wird, der einem Mädchen ein falsches Wort ins Ohr flüstert, während drei Straßen weiter Vergewaltigungen, Pädosex und die Zwangsverheiratung minderjähriger Mädchen zur Folklore gehören. Und, wie gesagt, das alles nebeneinander mitten in Europa. Wer Afrika importiert, wird selber zu Afrika.

Man kann Verräter nicht abschaffen oder umerziehen, aber man kann ihnen die Möglichkeit nehmen, zu verwalten

Kann ein Volk die eben geschilderten Auflösungsprozesse überleben? Israel scheint es zu können. Um die Vietnamesen muss einem nicht bange sein. Bei den Japanern stellen sich schon erste Zweifel ein; die haben zwar in ihrer beneidenswerten Inselsituation die Zugbrücken hochgezogen, aber demografisch sieht es bei ihnen nicht besser aus als bei uns. Formulieren wir die Frage anders: Kann ein neurotisches, in Selbstverleugnug erstarrtes Volk diese Auflösungsprozesse überleben? Ich könnte jetzt sagen: Nein, und den Vortrag beenden. Meine These ist aber eine andere. Sie ist nicht besonders schön, gerade für einen deutschen Schriftsteller nicht, aber ich erinnere an Benn: „Rechne mit deinen Defekten! Gehe von deinen Beständen aus, nicht von deinen Parolen!“
Die deutsche Kultur ist nicht für die Ewigkeit gemacht, nicht einmal für den Äon. Ihr Überleben wird Privatangelegenheit und Stilfrage sein. Man kann sie vorleben, aber nicht vorschreiben. Als politisches Programm hat sie wahrscheinlich keine allzugroße Zukunft. Ohnehin ist Kultur im Normalfall kein politischer Gegenstand; ein Staat, der sie zu fördern versucht, schwächt sie. 1992 demonstrierten Mainzer Winzer – Wein ist immer auch Kultur! – gegen den Fiskus mit der treffenden Parole: „Was wir ererbt von unsren Vätern, wird verwaltet von Verrätern.“ Man kann Verräter nicht abschaffen oder umerziehen, aber man kann ihnen die Möglichkeit nehmen, zu verwalten.
Wer eine spezifisch deutsche Kultur jenseits der Sprache nicht zu erkennen vermag, wie eine schlecht integrierte Integrationsbeauftragte, ist ein Barbar, aber wer über solche Äußerungen ein Geschrei anstimmt, anstatt diese deutsche Kultur zu verkörpern, ist auch nicht besser – ich will jetzt nicht über gewisse AfD-Twitteraccounts reden. Mir ist es übrigens egal, was deutsche Konservative von deutscher Kultur verstehen, ob sie Gedichte auswendig wissen, das Verhältnis von Schopenhauer zu Hegel erläutern oder den Weg der Fuge von Bach bis zur Prügelfuge in den „Meistersingern“ skizzieren können. Oder ob sie ein deutsches Weihnachtslied in der zweiten Stimme singen können. Ich will nur, dass deutsche Konservative aufhören, heimliche Sozialdemokraten zu sein.
Das deutsche Gemüt hat überhaupt so einen fatalen Hang ins Sozialistische, das hängt mit den Erfahrungen der geopolitischen Mittellage zusammen. Dem deutschen Konservatismus fehlt seit je der freiheitliche Zug. Das wird im Gefolge der Einwanderungskrise immer deutlicher. Als Vorbild schweben mir hier weniger die Angelsachsen mit ihrer Beutelust und ihrem Teflongemüt vor als vielmehr die Schweizer, Europas freiheitlichste Nation, und eine Willensnation überdies, keine ethnische. Beim deutschen Sozialismus indes muss man immer damit rechnen, dass er wahlweise zum National- oder Internationalsozialismus entartet.

Das Problem ist der innere Feind

Ein Beispiel. Typisch für den speziell linksdeutschen Dachschaden mag ein Leserbrief sein, der vor kurzem im Spiegel zu lesen stand und sich auf ein Interview mit Rüdiger Safranski bezog, der gesagt hatte, es gäbe keine Pflicht zur Fremdenfreundlichkeit. Der Leserbriefschreiber erklärte: „Einem Menschen, der zufällig derselben Ethnie entstammt wie man selbst und der zufällig den gleichen Pass hat, ist man in keiner Weise mehr verpflichtet als jedem anderen Menschen dieser Welt.“ Meine Damen und Herren, daneben ist die chinesische Hirnwäsche ein Schonprogramm gewesen. Aber im Grunde ist das die Position der Bundeskanzlerin.
Ich könnte jetzt historisch ausholen und fragen, inwieweit dieser Mensch seinen luxuriösen Standpunkt anderen verdankt, die ihn auf dieses solide Plateau gestellt haben und zufällig derselben Ethnie entstammten wie er. Ich könnte darüber hinaus fragen, ob er seiner Entsolidarisierungsadresse nicht noch die Formulierung hinzufügen möchte: „Menschen, die zufällig meiner Familie angehören, bin ich nicht mehr verpflichtet als jedem anderen Menschen auf der Welt“.
Es genügt aber bereits der Hinweis darauf, dass die Hypertoleranz dieses empfindsamen Edlennur unter einer einzigen, allerdings unendlich unwahrscheinlichen Voraussetzung Geltung beanspruchen könnte, nämlich dass jeder Mensch auf der Welt so dächte wie er. Ansonsten bieten sich die von jener absonderlichen Identitätszirrhose Befallenen bloß denen als Opfer dar, die ihren Clan, ihren Stamm, ihr Volk oder ihre Glaubensgemeinschaft über alle anderen stellen. Als Einzelwesen sind sie nicht überlebensfähig, sie benötigen ein Kollektiv, von dem sie zehren und in dem sie sich auf anderer Leute Kosten als Tugendhelden aufspielen können. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber habe keine Lust, einem solcherart missbrauchtem Kollektiv anzugehören, und möchte mich meinerseits von solchen Figuren entsolidarisieren.
Dazu bedarf es in der Tat einer konservativen Revolution, einer konservativen Revolution der Bürgeraber es muss eben eine freiheitliche Revolution sein. Der Gegner ist nicht der Muslim, der hier einwandert, sondern der deutsche Umverteilungsstaat, der ihn anlockt und alimentiert – und natürlich jene Linke, die die moralische Erpressungsbegleitmusik beisteuert. Der innere Feind ist unser Problem, weil er sich völlig irrational verhält und Selbsterhaltung für Rassismus erklärt. Der afrikanische Einwanderer verhält sich damit verglichen völlig rational.

Eine konservative Revolution der Bürger statt einer konservativen Revolution der Muslime

Ich sagte gerade „konservative Revolution der Bürger“ in Abgrenzung zur konservativen Revolution der Muslime. Es gab den lächerlichen Versuch von Alexander Dobrindt, CSU, der eine solche Revolution gefordert hatte und dann in einem Interview mit Marietta Slomka nicht erklären konnte, was das ist. Das mag zwei Gründe haben. Entweder er ist ungebildet, oder sein Maulkorb sitzt zu eng.
Dabei liegen die Antworten doch auf der Hand. Dobrindt hätte sagen sollen: Naheliegenderweise, Frau Slomka, wollen wir zuerst einmal die Alimentierung Ihres Belehrungs- und Erziehungssenders beenden; anstatt dem Steuerzahler Milliarden abzupressen, damit Sie agitieren, schlemmen und mit Personal aasen können, sollten Sie sich der Konkurrenz am Markt stellen, und wenn die linken Lautsprecher des Staatsfunks heruntergedimmt werden, wird automatisch das gesellschaftliche Klima besser.
Dann wollen wir erhebliche Steuererleichterungen, vor allem für Familien mit Kindernsofern – und nur sofern! – die Eltern etwas zum Gemeinwohl beitragen. Wir wollen eine Befristung aller Sozialleistungen außer für wirklich schicksalhaft Bedürftige, und nach dem Ablauf dieser Frist gibt es keinen Cent mehr. Wir wollen die Wiederherstellung des Rechtes an den Grenzen und vor Gericht, die Rückkehr des Sühnegedankens in die Rechtspflege, mehr große, moderne und sichere Gefängnisse für die Schulung derer, die momentan mit lächerlich geringen Strafen für schwerste Gewaltverbrechen davonkommen, weil die Knäste mit dem Gold aus den Schiffen überfüllt sind.
Wir wollen die Rückkehr zu einem Bildungssystem, bei dem die Schüler nach Verlassen der Schule lesen, schreiben und rechnen können und mindestens eine Fremdsprache beherrschen, die Beendigung der Abiturienten- und Geisteswissenschaftsstudentenschwemme und die geordnete Überführung des Gender-Okkultismus in die „heute-show“. Außerdem die Streichung sämtlicher Mittel, die in den verfassungswidrigen „Kampf gegen rechts“ fließen, die Kürzung der Kultur- und Bühnensubventionen, weil dort ja eh nur noch Kultur demoliert wird, und natürlich eine Einwanderungspolitik, die Neubürger bevorzugt, die ihre Rechnungen selber bezahlen wollen (und können) bei strikter Abweisung und Ausschaffung aller anderen, zumal der zahllosen Straftäter, die sich hier breitgemacht haben.
Wir wollen nicht weniger als einen Mentalitätswandel, wir wollen, dass Frühaufsteher, Buckelkrummmacher, Arbeitsplätzeschaffer, Erfinder und Patentanmelder mehr und die Schwätzer, Sozialabsahner, Ideologieverbreiter und Asylindustriespitzbuben weniger Geld verdienen. Wir wollen überhaupt den Menschenschlag abschaffen, der für seine schiere Existenz eine Belohnung zu verdienen meint, und den Menschenschlag fördern, der selber für sich sorgt. Das hätte fürs erste genügt. Mehr hätte Frau Slomka in ihrer Sendezeit eh nicht untergebracht.

Die Souveränität der Nationalstaaten muss vorerst erhalten bleiben

Meine Damen und Herren, ich habe die Schweiz als Willensnation und als Vorbild genannt. Das führt zum vielleicht wichtigsten politischen Projekt, das dem Konservatismus derzeit obliegt: die Erhaltung der Souveränität der Nationalstaaten.
Der Nationalstaat ist die größte Leistung politischen Organisationsvermögens, welches die bisherige Geschichte kennt, und zwar aus einem Grund: Es gibt nirgendwo einen Rechtsstaat, der kein Nationalstaat wäre. Rechtsstaat heißt vor allem: Gewaltenteilung. Einzig der Nationalstaat gewährleistet Rechtssicherheit. Umgekehrt sind keineswegs alle Nationalstaaten Rechtsstaaten, schauen Sie sich die Türkei an oder China. Die Verbindung aus Nationalstaat, Demokratie und Rechtsstaat ist so selten und ihre Entstehung so unwahrscheinlich, dass man sehr gute Alternativen haben muss, sie aufzugeben. Und so lange die Alternativen nur Luftschlösser sind, muss am Nationalstaat festgehalten werden, so viele Einwände man auch gegen ihn haben mag.
Einer der albernsten, aber trendigsten besteht darin, dass man Nationen und Nationalstaaten heute als Konstrukte abqualifiziert. Aber eine Brücke und ein Haus sind auch Konstrukte. Die Menschenrechte und die Demokratie sind Konstrukte. Der Elfmeter beim Fußball ist ein Konstrukt. Sollen unsere Konstruktivisten doch einmal in eine Moschee gehen und dort vortragen, dass der Islam ein Konstrukt ist – es ist immer erhellend zu beobachten, wenn Konstrukte wild werden. Und selbstverständlich ist auch die EU ein Konstrukt.
Meine Damen und Herren, im Grunde ist gegen Konstrukte nichts einzuwenden, wir leben von ihnen und in ihnen. Das Besondere und Einzigartige – und Kostbare! – am Nationalstaat aber ist, dass er all die anderen Bindungen zwischen den Menschen, die des Blutes, der Sippe, der Ethnie, der Religion, eingehegt und befriedet hat. Er hat das Blutsrecht und das religiöse Recht durch das säkulare Recht ersetzt.
Vor unserer Haustür sehen wir, was geschieht, wenn Nationalstaaten zerfallen: Die Kräfte der Religion und des Blutes drängen in jene Machtpositionen, die der säkulare Staat geräumt hat. Die alten Clanstrukturen treten wieder zutage, Stämme teilen die Macht im Lande unter sich auf, religiöse und ethnische Minderheiten werden verfolgt. Und genau das wird derzeit unter dem beifälligen Gemurmel aller Systemparteien importiert. Was uns seitens der Linken und anderer Fortschrittsfreunde als tätige Humanität verkauft wird, ist tatsächlich eine schleichende Zerstörung des Rechtsstaates und der inneren Sicherheit, verbunden mit der Plünderung der Sozialkassen und der Spaltung der Gesellschaft.

Für den Konservativen ist zunächst einmal erstaunlich, dass überhaupt etwas funktioniert

Eine freiheitlich-konservative Politik darf nicht zulassen, dass sich das Blut und der Clan und die Religion wieder bei uns durchsetzen. Dass mit Religion nicht der Glaube als solcher gemeint ist, denn wir haben gottlob Religionsfreiheit in Deutschland, sondern ein politischer, auf Herrschaft über die Gesellschaft zielender Anspruch, versteht sich von selbst. Es gibt, von der Weltklimakirche abgesehen, nur eine Religion, die einen solchen Anspruch erhebt.
Der Nationalstaat hätte sich erst dann überlebt, wenn der Supranationalstaat seine Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Insofern ist die EU ein lehrreiches Exempel. Sie hat vor, Europa, diesen Kontinent der Vielfalt, im Namen der Vielfalt gleichzuschalten, koste es, was es wolle. Solange diese Pervertierung der europäischen Idee in Europa auf Widerstand stößt, lebt die europäische Idee!
Meine Damen und Herren, die Progressisten kommen mit Visionen und Verheißungen und stellen Forderungen in deren Namen. Sie legitimieren sich aus dem Versprechen einer gerechteren Zukunft, und wenn ihre Pläne scheitern, stehlen sich diese Wohlmeinenden heimlich davon und sagen, das hätten sie nicht gewollt. Der Konservative kann dergleichen nicht bieten, was ihn als Langweiler, Zukunftsverweigerer und Auf-der-Stelle-Treter erscheinen lässt.
Dabei bedeutet konservativ zu sein bloß, dass man sich die permanenten Kulissenwechsel nicht als das eigentliche Stück aufschwatzen lässt. Der Konservative hält die Gesellschaft nicht per se für schlecht und dringend veränderungsbedürftig, sondern für ihn ist es zunächst einmal erstaunlich, dass überhaupt etwas funktioniert. Nach seiner Ansicht muss sich also keineswegs das Bestehende legitimieren, sondern das sollen diejenigen tun, die es verändern wollen. Mit den Worten Giuseppe Prezzolinis: „Der Progressist denkt immer an morgen, der Konservative immer an übermorgen.“
Der Konservative möchte also nicht das altägyptische Bewässerungssystem oder den mechanischen Bohrer beim Zahnarzt wiederhaben, sondern im Gegenteil: Ein konservativer Hausbesitzer, um ein schönes Bild des Kabarettisten Ludger Kusenberg zu zitieren, wird sein Haus ständig renovieren und verschönern und technisch auf den neusten Stand bringen. Er wird sich aber davor hüten, jemals eine tragende Wand herauszureißen. Die Familie, das Recht und der Nationalstaat sind solche tragenden Wände.

Die deutsche Kultur wird in den Einzelnen überleben oder gar nicht, der öffentliche Kampf muss der Erhaltung der Zivilisation gelten

Ich komme zum Schluss noch einmal zur deutschen Kultur und damit zu den für diesen Vortrag titelgebenden Wurzeln. Während die Freiheit zur Verfassung werden kann – in der gesegneten Schweiz werden sogar Steuererhöhungen per Volksabstimmung entschieden ­–, ist das Überleben der deutschen Kultur eine Frage des persönlichen Beispiels. Ich nannte es: eine Frage des Stils. Fordern lässt sich hier nichts. Was ist dafür zu tun?
Zunächst einmal hege und pflege man, was an Heimat noch übrig ist. Wer sich fürs Nomadentum entschlossen hat, führe seine Heimat eben mit sich. Die deutsche Kultur wird in den Einzelnen überleben oder gar nicht, und es ist keineswegs ausgemacht, dass dieser Vorgang nur auf dem Gebiet des heutigen Deutschland ausgetragen wird. Der öffentliche Kampf aber muss der Erhaltung der Zivilisation gelten. Wer immer die Zivilisation als solche, den Rechtsstaat, die Umgangsformen, das Eigentum, das Bargeld, die Freiheit der Meinung, des Bekenntnisses und des Wirtschaftens verteidigen will, ist ein Verbündeter, egal welche Sprache er spricht und welche Hautfarbe er hat. Die Barbaren stehen überall bereit zum Angriff, in den Vorstädten wie in manchen Vorstandsetagen, in den Redaktionen, in den Banken, sogar in Gebetshäusern.
Ansonsten: Füllen und leeren Sie Ihre Weinbestände. Lesen Sie Bücher statt Zeitungen. Flanieren Sie, wo es noch geht. Bewaffnen Sie sich, wo es nicht mehr anders geht. Lassen Sie sich von der allgemeinen Verwahrlosung nicht anstecken. Seien Sie manierlich und heiter. Nennen Sie die Dinge beim Namen, aber gesittet. Seien Sie freundlich zu Ihren Nächsten und heißen Sie diejenigen willkommen, die willkommen sein wollen. Halte Sie es mit Gilbert Chesterton: Wenn ich will, dass die Welt blauer wird, muss ich mit Farbe und Pinsel vor meiner Haustür anfangen. Sie wird danach in jedem Falle blauer sein als zuvor. Ich danke Ihnen.
*
Dieser Text erschien zuerst auf dem sehr empfehlenswerten Blog von Michael Klonovsky, der nur so vor Gedanken, Ein- und Quersichten sprüht. Sollten Sie sich unbedingt öfters ansehen. Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des geschätzten Autors und Blogbetreibers.
**
Zum Autor: Michael Klonovsky, 1962 im Erzgebirge geboren, ist Romanautor und PublizistAufgewachsen in Ostberlin. Maurerlehre. Abitur. Seit 1990 Journalist. “Wächterpreis der Tagespresse” für die „Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen durch die DDR-Justiz und den Staatssicherheitsdienst“. 1992: Wechsel zum Focus, zunächst als Redakteur, später als Chef vom Dienst bzw. Textchef, Leiter des Debattenressorts, sodann als Autor. Am 31. Mai 2016 endete die Ehe mit Focus, die Partner hatten sich auseinandergelebt. Von Juni 2016 bis Anfang 2017 war er parteiloser Berater von Frauke Petry, von Juni bis November 2017 Sprecher der von Jörg Meuthen geführten Landtagsfraktion der AfD Baden-Württemberg. Michael Klonovsky ist Autor mehrerer Bücher.