Freitag, 9. Dezember 2016

Wenn die Regierung etwas ändern will, warum tut sie es dann nicht?

gelesen und zitiert by SIW Ausgabe 49

Mit dem CDU-Parteitag in Essen ist der Bundestagswahlkampf 2017 nun offiziell eingeläutet. Es ist immer interessant zu hören, was sich die größte Regierungspartei so alles für die neue Legislaturperiode vornimmt. Besonders relevant werden solche Absichtserklärungen allerdings nicht sein, denn der gelernte Bürger weiß, dass in den Monaten des Wahlkampfes die Verachtung und Verhöhnung des Wahlvolks durch Schmeichelei kaschiert wird. Insbesondere die ehedem konservativen Parteien sind betroffen. Während der frühere CSU-Chef Franz-Josef Strauß noch „die Einheit von Denken, Reden und Handeln“ forderte, hat der aktuelle Vorsitzende, Horst Seehofer, das Gegenteil zu einer regelrechten Kunstform entwickelt. Obwohl die CSU noch jede 180-Grad-Wende der Regierungen Merkel – deren Teil sie ja ist – mitgetragen hat, ist sie stets darum bemüht, sich ihren Wählern als eine Art „innerkabinettliche Oppositionspartei“ darzustellen. In dieser Richtung werden wir bis zur Bundestagswahl, die voraussichtlich im September 2017 stattfinden wird, noch viel lesen und hören. Und weil Merkels Politik im Volke so unbeliebt ist, hat sich die CDU in Essen nun auch selbst entschlossen, eine Art Oppositionsrolle dagegen zu übernehmen – zumindest verbal.


So soll es beispielsweise, man höre und staune, ein Burka-Verbot in Deutschland geben oder eine Verschärfung des Asylrechts, das ohnehin nicht angewendet wird. Sogar die „Kinderehe“ – so der beschönigende Begriff für einen unappetitlichen Straftatbestand – soll nun „grundsätzlich verboten“ werden, so als ob sie das nach deutschem Recht nicht ohnehin längst der Fall wäre. Zudem darf man auf die Ausnahmen von diesem Grundsatz gespannt sein. All diese Forderungen mögen aus der Sicht einer Oppositionspartei noch angehen, von einer Partei allerdings, die seit zwölf Jahren ununterbrochen die führende Regierungspartei ist, also reichlich Zeit zur Gestaltung gehabt hätte, sind sie eine freche Verhöhnung des Wahlvolks, oder wie das bei der CDU nun heißt, „derjenigen, die schon länger hier leben“. Dass sich die Wähler nicht alles gefallen lassen, zeigte der Niedergang der FDP. Mit einem glaubwürdigen liberalen Wahlprogramm und der Aussicht auf Steuersenkungen und weniger Staat erzielte sie bei der Bundestagswahl 2009 mit 14,8% das Rekordergebnis ihrer Geschichte. Da es den Akteuren in der Folge aber erkennbar weniger um das Programm als um die Ministerposten ging, wurde sie von den Wähler bereits 2013 abgestraft – mit 4,8% erzielte sie das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte und fiel verdient aus dem Bundestag. Die Spekulation auf das kurze Gedächtnis der Wähler geht also nicht immer auf.