Freitag, 24. November 2017

Die Strategien von Trump

1. Agenda-Setting

Trump entwickelte bereits im Wahlkampf einen simplen, methodischen Trick: Er verbreitet als Erster am Tag – oft sogar mitten in der Nacht – seine Botschaften via Twitter. Diese Vorgehensweise strukturiert seitdem den Tagesablauf von US-Politikern und Journalisten. Sprichwörtlich fängt der frühe Vogel den Wurm. Das frühe Twittern machte Donald Trump zum Agenda-Setter. Die Medien können Trumps Beiträge aufgrund seiner enormen Gefolgschaft schlichtweg nicht ignorieren. Als Präsident übertrumpft Trump zahlenmäßig mittlerweile sogar die Follower des Twitteraccounts der New York Times.
Mr. President erweiterte seine Twitter-Methode um ein geniales Vorgehen: Ankündigungen. Er kündigt an, zu einem bestimmten Zeitpunkt, eine Entscheidung in einer aktuellen Frage zu treffen. Danach steht das mediale Thema der nächsten Wochen fest. Es wird öffentlich jede Eventualität so lange ausdiskutiert, bis Trump zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entscheidungsverkündung lediglich noch den Ballon zum Platzen bringen muss. So beispielsweise geschehen bei der Nachbesetzung hoher Behördenposten, oder bei der Frage, ob Trump sich zum Pariser-Klimaabkommen bekenne


2. Denunziation seiner Gegner

Lob für die Anhänger, Beschimpfungen für die Gegner – auch diese Vorgehensweise war bereits prägend, als er noch republikanischer Präsidentschaftskandidat war. Trump verknüpfte die Namen seiner politischen Gegner mit diskreditierenden Adjektiven. So schuff er„Lying Ted“ und Hillary Clinton wurde zu „Crooked Hillary“. Im Zusammenhang mit traditionellen Medienhäusern oder Reportern, die nicht im Sinne Trumps berichteten, machte er keinen Halt vor Zuschreibungen, wie „biased“ oder „dishonest“. Twitter war eindeutiger Indikator dafür, wer Freund und wer Feind ist. Viel wurde darüber spekuliert, ob er sein unethisches Verhalten auf Twitter als Präsident ablegen würde. Schnell zeigte sich: Die rhetorischen Attacken gegen Gegner aus der Politik und den Medien gehören in Washington nun zum politischen Alltag



3. Drohung statt Diplomatie

Trump belässt es als Präsident nicht bei der Denunziation seiner politischen Gegner, sondern führt die Dramaturgie innen- und außenpolitisch auf die Spitze. Die Steigerung der Beleidigungen sind seine Drohungen. Was einst als Wahlkampfgetöse abgetan werden konnte, wird im Amt zu furchteinflößender Realpolitik. Als Regierungschef und Oberbefehlshaber spielt er seine Machtposition auf drastische Weise aus und droht beispielsweise den Medien mit dem Entzug ihrer Lizenzen

Existenziell wird es, wenn Außen- und Sicherheitspolitik auf 140 Zeichen reduziert werden. Allein die Vorstellung verursacht bei Diplomaten Schnappatmung. Dass Trump kein Fan der hohen Diplomatie ist, beweisen die leeren Korridore im US-Außenministerium, in dem ganze Abteilungen nach seinem Amtsantritt unbesetzt blieben. Im Konflikt mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un fuhr Trump via Twitter beispiellose Drohgebärden auf

Über Nacht haben Trumps Tweets jahrzehntelange, hochkomplexe Diplomatenverhandlungen weggefegt, als hätten sie nie stattgefunden. Erstaunlich an Trumps Drohungen gegenüber Nordkorea ist, dass Trumps Rechnung vorerst aufging und Kim Jong-Un, der unberechenbare Diktator, die Lage deeskalierte. In diesem Fall lässt sich schwer einschätzen, ob das vorwiegend auf Glück oder auf Trumps Können zurückzuführen ist


Das Ziel: der permanente Wahlkampf

Der Rückblick auf Trumps Nutzung des Kommunikationsinstruments Twitter wirft ein anderes Licht auf Trump. Er setzt auf harte und disruptive, aber durchaus strategisch-clevere Weise seine digitalen Propagandatechniken ein und schafft es, seine Wahlkampfkommunikation methodisch auszubauen und auf ein neues Level der disruptiven Politikausübung emporzuheben. Trumps Twitter-Methode ist in ihrer eigenen Logik nicht impulsiv, sondern taktisch und klug.
Alle drei Elemente seiner Kommunikationsstrategie verfolgen letztlich ein gemeinsames Ziel: den permanenten Wahlkampf. Sie sichern Trump die ungeteilte mediale Aufmerksamkeit und halten seine Show an Laufen. Nur die lautstarken Attacken gegen jeden seiner potenziellen Gegner können von seinen zahlreichen politischen Misserfolgen als Präsident ablenken. Trumps Anhängern scheint das Theater zu gefallen, sie strömen weiterhin in Scharen zu seinen öffentlichen Großauftritten, die er ungestört fortsetzt, als hätte der Wahlkampf niemals aufgehört.
So dumm, wie häufig dargestellt, kann Trump also nicht sein. Vielleicht muss man akzeptieren, dass der Tollpatsch im Weißen Haus ein solider Propagandist ist. Dies allein befähigt ihn zweifelsohne nicht dazu, ein guter Präsident zu sein. Dennoch sollte man seine Strategiefähigkeit – zumindest im Bereich der politischen Kommunikation – nicht unterschätzen. Ob seine Taktik langfristig funktioniert, werden wir spätestens zur Präsidentschaftswahl 2020 sehen.