Dienstag, 23. Januar 2018

Stefan Aust: Zuwanderungspolitik, „humanitär verbrämte Vernebelungsstrategie“

gelesen und zitiert by https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/stefan-aust-zuwanderungspolitik-humanitaer-verbraemte-vernebelungsstrategie

Die Realitäten zu verleugnen könne auf Dauer nicht gut gehen, sagt Stefan Aust. Aber was wäre eigentlich, wenn es der politischen Klasse egal wäre, ob irgendwas irgendwie gut geht? Wenn sie längst vergessen hätte, wie man etwas gut macht? 


Irgendwer von der Straße sagte es irgendwo im Fernsehen: „Diese ganze GroKo-Sondierungs-Diskussion interessiert mich nicht mehr.“ Dabei ist das eigentlich schon die maximale Annährung: Denn diese Politikverdrossenheit ist in der Politik angekommen und Fast-Außenminister Czem Özedmir bestätigt in die Kameras: „Man hat den Eindruck, als ob es irgendwie offener Strafvollzug wäre, Deutschland regieren zu dürfen.“

Die Etablierten haben nicht mehr richtig Lust, Politik zu machen, selbst die Medien wenden sich fast angewidert ab. Stefan Aust, Herausgeber der Welt, beispielsweise identifiziert hier die „Flüchtlingspolitik“ als Motivationskiller: „Das Problem steht wie ein Elefant im politischen Raum und wird dennoch am liebsten verdrängt oder beschönigt. Aus Angst, dass der Elefant durch bloße Erwähnung weiterwächst.“

So ist es nach Aust nur folgerichtig, dass auch die kommende Regierung Zuwanderung nur noch verschlimmert: „Die deutsche Politik hat sich in einem Dilemma verfangen.“ Im Sondierungspapier würde man mit Glaubensbekenntnissen arbeiten, alles wäre noch schlimmer als schon bei den Jamaika-Sondierungen. Für Aust ist das „ein eindrucksvoller Ausblick auf das Klima in einer möglichen Wiederholungs-GroKo.“
Aber der ehemalige Spiegel-Chefredakteur geht noch weiter: Nach deutschem Recht dürfe kein Zuwanderer auf dem Landweg kommend Asyl beantragen, aber beachtet würde dieser Teil des Grundgesetzes von der dafür verantwortlichen Bundesregierung allerdings seit mehr als zwei Jahren nicht.



ber wer hier von einem Wandel spricht, irrt: Dieser Stefan Aust schrieb schon im November 2015 in der Welt fast gleichlautend: „Das Asylrecht sagt klipp und klar: Wer als Flüchtling aus einem sicheren Land kommt, hat kein Recht auf Einlass. Doch daran hält sich niemand mehr, allen voran die Kanzlerin.“
Wenn Aust 2018 ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz zitiert, das feststellte: „Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt, und die illegale Einreise ins Bundesgebiet wird momentan de facto nicht mehr strafrechtlich verfolgt.“, dann zitierte Aust schon im November 2015 folgenden Wortlaut eines Urteil des Amtsgerichts Passau: „Angesichts der Zustände an den Grenzen ist die Rechtsordnung von der deutschen Politik ausgesetzt. (…) Asylsuchende werden von der deutschen Bundeskanzlerin eingeladen nach Deutschland zu kommen.“
Damals wurde im Gro-Ko-Kabinett heftig über die „Flüchtlingspolitik“ der Regierung gestritten. Heute streitet man immer noch über genau die gleichen Inhalte und Themen. Nichts hat sich getan. Nichts wurde gelöst, geklärt, erledigt. Man muss sogar von einem Stillstand sprechen, wenn schon vor über zwei Jahren der Familiennachzug der nur subsidiären Schutz genießenden Zuwanderer diskutiert und dann doch nur ins Jahr 2018 verschoben wurde. Nun sind wir in 2018 angekommen. Die nur mehr geschäftsführende Regierung hat die Probleme jetzt auf Juli dieses Jahres verschoben, während ungebremst  Zuwanderer illegal einreisen, die allermeisten geschleust.



Stefan Aust zitiert dazu einen Polizeiführer der Bundespolizei: „Die triste Realität sieht so aus, dass die Bundespolizei nur an der 817 Kilometer langen Grenze zu Österreich als einziger der insgesamt neun deutschen Landgrenzen regelmäßige Kontrollen durchführen darf. Dazu gibt es Überprüfungen an drei Autobahnübergängen und weitere stichprobenartige Kontrollen von mutmaßlichen Schleuserfahrzeugen an einzelnen weiteren, wechselnden Punkten in einem Bereich bis zu 30 Kilometer landeinwärts der deutschen Grenze. De facto ist diese Grenze trotz unserer Präsenz völlig offen“. 500 bis 800 illegale Zuwanderer würden dort Tag für Tag dennoch von den Bundespolizisten aufgegriffen. 80 Prozent von ihnen behaupteten, keinerlei Pässe oder andere Identitätsnachweise bei sich zu haben. „Aber sobald sie das Zauberwort Asyl sagen, dürfen wir sie auf Weisung des Bundesinnenministers nicht zurückweisen, obwohl die deutschen Gesetze das verlangen“, berichtet der Beamte frustriert.
500-800 illegale Zuwanderer (und das sind nur die von der Polizei unmittelbar im Grenzbereich aufgegriffenen) täglich alleine an der Grenze zu Österreich, während die Sondierungsgespräche den Anschein erwecken, den Familiennachzug für den Moment auf 1.000 Personen im Monat begrenzen zu wollen. Was für eine Farce. Und wie das „angesichts einschlägiger, entgegenstehender völkerrechtlicher Verpflichtungen – etwa der UN-Kinderrechtskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention – auf Dauer umgesetzt werden soll, erläutert das Papier nicht. Auch dazu, dass das Bundesinnenministerium in internen Berechnungen von derzeit bereits 680.000 Zuwanderern in Deutschland ausgeht, die einen solchen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung besitzen, findet sich in dem Papier kein Wort.“
„Wir wollen die Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge“, halten die GroKo-Aspiranten auf Seite 20 ihres Sondierungsberichts dagegen. Ja doch, Peterchens Mondfahrt ist da deutlich zielgerichteter formuliert.



Und Welt-Herausgeber Stefan Aust meinte schon Ende 2015 zu wissen: „(D)ie Annahme, Deutschland könne unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen, deutet auf ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit.“ Also realitätsfern und angeblich beseelt von einem ominösen humanitären Imperativ in etwas mehr als zwei Jahren hin zu einem umfassenden Politikverdruss innerhalb der Volksparteien. Die jetzt geschäftsführenden Protagonisten sind die gleichen geblieben, aber wirklich niemand mag mehr lösen wollen, was er mit angerichtet hat. Nach dem Jamaika-Scheitern will nur noch Angela Merkel, allen anderen sollen machen müssen. So zumindest will man es aussehen lassen. Man weiß eben längst, dass alles nur noch schlimmer wird.
Niemand mehr da, der Lösungsansätze, der Ideen, geschweige denn Visionen hätte, wie dieses erfolgreiche Deutschland, wie es uns zu Beginn des 21. Jahrhundert gefallen hat, zu solidieren wäre, ohne dass man dafür unschöne Bilder produzieren müsste. Der Politiker als Feigling, der sich hinter dem Nachbarfeigling versteckt, Abgeordnete, welche durch die Bank die Unverschämtheit besaßen, sich mit einem Arbeitsverweigerungskonzept zur Wahl zu stellen, in der Hoffnung, es merkt schon keiner. Ja, früher gab es noch einige ideologisch verbrämte Politiker, heute sind sie nicht einmal mehr das.



Alles geht nur noch den Bach runter. Oder wie Stefan Aust schreibt, es ist alles noch viel schlimmer: Während deutsche Politiker sich den dringendsten Aufgaben verweigern, hat das EU-Parlament „von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt (…)die Schleusen noch weiter aufgemacht. (…) Künftig sollen zudem (…) Asylbewerber ihre Anträge in Gruppen von bis zu 30 Personen stellen dürfen. Falls Beziehungen in ein bestimmtes Land, zum Beispiel Deutschland bestehen, eben in Großgruppen dort.“
Nun hoffen viele wie beispielsweise Monika Hohlmeier (für die CSU im Europaparlament) darauf, dass der Europäische Rat diesem Parlamentsbeschluss nicht zustimmt, aber auch diesen Zahn weiß Stefan Aust zu ziehen: Verdächtig oft sei im Abschlusspapier der GroKo-Sondierer die Rede von „EU-Recht, das zu beachten sei.“ Aust als Verschwörungstheoretiker? So zumindest hätte wohl lange Zeit und im Zuge der Massenzuwanderungs-Euphorie der sofortige Vorwurf gelautet, hätte Otto Normalverbraucher so etwas geäußert.



Austs Fazit in seinem beachtenswerten Artikel, den er zusammen mit Helmar Büchel verfasst hat, lautet: Die Realitäten zu verleugnen könne auf Dauer nicht gut gehen. „Nicht in Sondierungen, nicht in Koalitionsverhandlungen und schon gar nicht in der Regierungspraxis. Und in Wahlen erst recht nicht.“ Ja, dass mag ja alles sein, möchten man ihm erwidern, aber was wäre eigentlich, wenn es den Vertretern der Volksparteien völlig egal wäre, ob irgendwas irgendwie gut geht?
Wenn sie längst vergessen und verlernt haben, wie man etwas gut macht? Wenn sie der Mut vor langer Zeit verlassen hat, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, die für den Moment schlechte Bilder produzieren könnten, wenn sie selbst schon völlig politikverdrossen sind und sich wenigstens in diesem einen Punkt einmal auf der gleichen Wellenlänge befinden wie ihr Wahlvolk, das sich auf Gedeih und Verderb solidarisch zeigt mit immer noch pervers hohen Zustimmungswerten für eine in der Geschichte der Bundesrepublik bespiellosen Arbeitsverweigerung.