Mittwoch, 14. September 2016

Kurt Tucholsky sagte schon: "Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie verboten."

gelesen und zitiert aus SIW 36/2016




Im Nordosten nichts Neues

Auch die vorletzte Landtagswahl des Jahres 2016 lief für die CDU nicht gerade nach Plan. Alles andere wäre allerdings auch eine faustdicke Überraschung gewesen. Denn die Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten mit der Massenmigrations- und „grenzenlos“-Politik der Regierung Merkel ist mit Händen zu greifen. Die „Klatschen“, die sich die Kanzlerin dafür einfängt, fallen immer deutlicher aus. Das wirklich Beängstigende in unserem politischen System ist, dass es sich zwar grundsätzlich Demokratie nennt, aber ebenso grundsätzlich den Wählerwillen nicht mehr ernst nehmen mag. Nach den Wahlen erfolgen dann die Schuldzuweisungen in Richtung Bürger – je nach Temperament vorwurfsvoll bis aggressiv: Die Menschen, sie seien halt noch nicht so weit, man müsse sie an der Hand nehmen, besser erklären, ihre Ängste ernstnehmen bzw. behandeln, sie ächten, ausgrenzen etc. Was grundsätzlich ausgeschlossen wird, dass ein rasant wachsender Teil der Wähler diese Politik schlicht und einfach nicht will. Den Vogel schoss in dieser Hinsicht ein Grünen-Politiker mit folgendem Tweet ab: „#MecklenburgVorpommern, das am dümmsten besiedelte Bundesland. #AfD“. Pauschalisierende Urteile über Menschengruppen scheinen also selbst bei den ach so sprachsensiblen Grünen durchaus in Ordnung zu gehen, zumindest wenn es die anderen trifft, denn immerhin gab es für diesen Tweet mehr als 400 Likes. Schon davor gab es für die Partei den verdienten Fußtritt der Wähler, die inzwischen auch ein ganz gutes Gespür dafür entwickelt haben, wer besonders gerne mit zweierlei Maß misst.


Aber die mangelnde Willkommenskultur der Etablierten gegenüber dem Newcomer hat tiefere Ursachen: Die Wahlnachlese der Parteien, die sich selbst gerne als die „demokratischen“ bezeichnen, zeigt nämlich vor allem eines – mit echter Demokratie ist die aktuelle Nomenklatura schlicht überfordert. In dieser Republik hat sich eine Regierungsform herausgebildet, die dem Bürger nichts, der politischen Klasse aber alles zutraut. Entsprechend herablassend und belehrend ist inzwischen der Umgang des politischen Personals – ja, Personals – mit dem eigentlichen Souverän. Dabei würde ein kurzer Blick in die Biographien einer beliebigen Auswahl deutscher Spitzenpolitiker genügen, um völlig desillusioniert zu sein. Es ist fast schon eher die Regel als die Ausnahme, dass fehlende Sach- und Fachkompetenz durch die inflationäre Berufung auf einen nebulösen moralischen Imperativ oder eine stramme ideologische Ausrichtung wettgemacht werden sollen. Die Bundesrepublik wird unter Niveau regiert. Von einer echten Leistungselite, die sich der Geschicke des Landes annimmt, wollen wir erst gar nicht reden.

Anstand und so

Aber auch durch diese Wahlschlappe wird sich die Pattex-Kanzlerin nicht beirren lassen. Ein typischer Merkel-Satz wie „Als Bundeskanzlerin und Parteichefin bin ich natürlich auch verantwortlich“, wird „natürlich auch“ ohne praktische und das heißt persönliche Konsequenzen bleiben. Es wird wohl dabei bleiben, dass sich „Mutti“ ein bisschen für das angerichtete Chaos verantwortlich fühlt und einen Satz lang ein leicht zerknirschtes Gesicht macht. Danach wird weiter marschiert. Geradezu wehmütig denkt man daran zurück, für welche Petitessen einst Minister und Regierungschefs den Hut genommen haben. Oder wie Finanzminister Schäuble jüngst über Justizminister Maas gesagt hatte: „Ein anständiger Minister müsste da zurücktreten.“ Ein anständiger Regierungschef im Übrigen auch. Und wenn verschiedene Medien übereinstimmend „Deutschland wird Deutschland bleiben“ als wichtigsten Satz der heutigen Kanzlerinnen-Bundestagsrede herausgreifen, dann sagt diese weitere Merkel-Leerformel viel mehr über den Zustand der Regierung und die Ratlosigkeit der Politik aus als alle Analysen zusammen. Das wichtigste Ergebnis der vergangenen Landtagswahl ist ohnehin der sprunghafte Anstieg der Wahlbeteiligung von 51,5% auf 61,6% – also um satte 10,1 Prozentpunkte! Normalerweise würde dies die etablierten Parteien zu Begeisterungsstürmen hinreißen – Politik könne die Menschen wieder erreichen, mitnehmen und begeistern, unsere hervorragende Arbeit, etc. Nur leider waren es nicht deren Politikangebote, die einen Teil der Nichtwähler zurück an die Urnen holten. Auch scheint man daraus partout nicht den Schluss ziehen zu wollen, dass lebendige Demokratie eben Meinungsstreit und Auswahl zwischen echten Alternativen bedeutet, nicht aber alternativloser Einheitsbrei mit unterschiedlich gefärbten Toppings.

Die nächste Auswahlmöglichkeit für Politikangebote gibt es übrigens schon am kommenden Sonntag bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen und eine Woche später bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Letztere könnten zu einem weiteren Scherbengericht für die einst so wendige und heute so halsstarrige Kanzlerin werden – ein Scherbengericht, das, abgesehen von ein bisschen Verbalkosmetik, allerdings genauso folgenlos bleiben dürfte wie alle anderen zuvor – zumindest so lange die CDU nicht selbst die Kraft findet sich von der „großen Vorsitzenden“ zu befreien. Bis dahin gilt: Angela Merkel in ihrem Lauf halten weder Ochs‘ noch Esel auf.

Nachtrag vom Autor aus

"gelesen und zitiert" von  Coudenhove-Kalergi


 „Heute ist Demokratie Fassade der Plutokratie: weil die Völker nackte Plutokratie nicht dulden würden, wird ihnen die nominelle Macht überlassen, während die faktische Macht in  den Händen der Plutokraten ruht. In republikanischen wie in monarchischen Demokratien sind die Staatsmänner Marionetten, die Kapitalisten Drahtzieher: sie diktieren die Richtlinien der Politik, sie beherrschen durch Ankauf der öffentlichen Meinung die Wähler, durch geschäftliche und gesellschaftliche Beziehungen die Minister. … Die Plutokratie von heute ist mächtiger als die Aristokratie von gestern: denn niemand steht über ihr als der Staat, der ihr Werkzeug und Helfershelfer ist.“