gelesen und zitiert by TichysEinblick 19.01.17
Angela Merkel und Donald Trump folgen den gleichen Miss-Verständnissen von Wirtschaftspolitik: Sie unterstellt den Briten beim künftigen EU-Zugang "Rosinen picken", er unterstellt das den Autoherstellern in Japan und Deutschland.
Viele unterstellen der Marktwirtschaft, sie sei inhärent unmoralisch,
ihr ginge jede Moral ab. In ihr würde es nur um Gewinnstreben zu Lasten
der Umwelt, der Arbeitsplätze oder der Gesundheit gehen. Deshalb
brauche es eine höhere Instanz, die (moralische) Standards für alle
festlegt. Das ist eine der häufigsten Begründungen für den „Primat der
Politik“ und die politische Intervention der Regierung und des
Parlaments. Ihre moralischen Maßstäbe sollen von allen akzeptiert
werden. Diese moralische Überlegenheit führt leicht zur Überheblichkeit
über andere – über Bürger im eigenen Land, aber auch in anderen Ländern.
Die Bundeskanzlerin hat vor der Industrie- und Handelskammer Köln
einen Einblick in ihr moralisches Weltbild gegeben. Zwar sprach sie sich
in ihrer Rede im Allgemeinen für ein „Konzept der Offenheit“, ein
„Prinzip des Sich-Auseinandersetzens mit den Wettbewerbern“ aus, doch im
Konkreten sieht sie ihre Rolle und die Rolle des Staates ganz anders.
Für sie ist die Europäische Union kein offenes Konzept, sondern ein
abgeschotteter Raum. Wer Waren in diesen Wirtschaftsraum liefern will,
muss auch die Personenfreizügigkeit im eigenen Land akzeptieren. Es gilt
das Prinzip: alles oder nichts. Ihre große Sorge ist, “wenn sich
plötzlich herausstellt, dass man den vollständigen Zugang zum
EU-Binnenmarkt auch bekommen kann, wenn man sich nur bestimmte Dinge
aussucht, dann wird der Binnenmarkt, …, als solcher sehr schnell in
Gefahr geraten, weil sich jedes Land dann seine Rosinen herauspickt.“
Warum sollte ein Markt in Gefahr geraten, weil Unternehmen ungehindert
Waren dorthin liefern können? Andersherum wird ein Schuh daraus.
Abgeschottete Märkte verlieren die Akzeptanz der Bürger, weil diese
nicht alle Waren und Dienstleistungen erhalten oder nur zu einem
erhöhten Preis.
Angela Merkel macht letztlich einen ähnlichen Fehler wie Donald Trump.
Es tun sich Parallelen auf zu Trumps Verständnis von Wirtschaftspolitik:
Er unterstellt den Autoherstellern in Japan und Deutschland auch
Rosinenpicken. Wer einfach den US-Markt mit Produkten beliefern will,
ohne dass er in den USA Arbeitsplätze schafft, soll bald Strafzölle
bezahlen müssen. Mit nichts Anderem droht die EU und indirekt jetzt auch
Angela Merkel den Briten. Sie sollen einen Strafzoll, die EU nennt
diesen „Beitrag zur Finanzierung des Binnenmarktes“, bezahlen müssen,
damit die britischen Unternehmen Zugang zum EU-Binnenmarkt bekommen. Das
erinnert einen an die Willkürabgaben der niedergehenden
Ostblockstaaten, die an der eigenen Grenze von jedem Einreisenden eine
„Infrastrukturabgabe“ verlangten, deren Sinn schon damals als ein reines
Abkassieren empfunden wurde.
Merkel beklagt in ihrer Kölner Rede auch, dass es in der
Vergangenheit bei der Aushandlung von Freihandelsabkommen zu häufig nur
um den Abbau von Zöllen ging. Sie habe es als Umweltministerin bedauert,
dass zu wenig darauf geschaut wurde, „ob auch in anderen Ländern
nachhaltige Landwirtschaft betrieben wird“. Sie spricht sich dafür aus,
dass sich die Regierung mit Gewerkschaften, Unternehmern und
Nicht-Regierungsorganisationen über nicht-tarifäre Handelshemmnisse im
Bereich Soziales, Verbraucherschutz und Umweltschutz besser abstimmen
müsse. Konkret sagte die Kanzlerin: „Wenn hochentwickelte Länder wie die
Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und wir in Europa gemeinsame
Standards entwickeln, wird es der Rest der Welt schwer haben, unter
diesen Standards zu bleiben.“
Das ist eine sehr gefährliche Sichtweise. Wenn man diesen Gedanken
Merkels zu Ende denkt, dann wird bald Bedingung für den Zugang zum
EU-Binnenmarkt sein, dass die Mindestlöhne der EU auch in China bezahlt
werden müssen. Und dann werden demnächst die Luftreinhaltungsstandards
der EU auch in Indien oder Afrika gelten müssen, damit deren Unternehmen
Waren nach Europa liefern dürfen. Entwicklungsländer würden dann
dauerhaft von einem wirtschaftlichen Aufstieg abgeschnitten. Diese
Handelshemmnisse würde Afrika und andere Regionen dieser Welt in ihrem
Entwicklungsstand konservieren. Deren gerade beginnender Aufschwung
würde abrupt beendet. Soviel zur Moral …